Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Stimme ein. »Die Lords werden wissen, was sie von einem Fremden zu halten haben, der sich an Unschuldigen vergreift.« Gleich darauf kehrte ihre Schwäche zurück. »Diese Sache übersteigt meine Möglichkeiten. Triock, gedenke deines Friedensschwurs.« Sie grub ihre Finger ins Blumenmuster ihres Gewandes, als könne sie dadurch ihren Kummer unterdrücken.
Triock wandte sich Covenant zu. Irgend etwas im Gesicht des jungen Mannes war ausgelöscht worden – zerschmettert, zerschellt war die Fähigkeit zum Zufriedensein, zur Freude. »Ich kenne nun dein Gesicht, Zweifler«, schleuderte er Covenant im Tonfall eines Fluches entgegen. »Wir werden uns wiedersehen.« Daraufhin entfernte er sich völlig unvermittelt. Er lief immer schneller, bis er schließlich rannte, seinen Groll in den harten Grund des Hohlwegs stampfte. Kurz darauf gelangte er an eine Stelle, wo sich der Hohlweg nach Westen abhangartig schrägte, und dort geriet er außer Sicht, verschwand aus dem Einschnitt in der Landschaft zwischen die Hügel.
»Ausgeschlossen«, murmelte Covenant. »Unmöglich. Nerven regenerieren sich nicht.« Aber seine Finger schmerzten, als müsse der Schmerz sie verzehren. Hier in diesem Land regenerierten sich Nerven anscheinend doch. Er wollte gegen die Finsternis und den Schrecken anschreien, die ihn bedrohten, aber er schien alle Gewalt über seine Kehle verloren zu haben, seine Stimme, sein Ich.
»Du hast aus meinem Herzen eine Ödnis gemacht«, hörte er Atiaran wie aus großer Ferne sagen, die auf Abscheu oder Mitleid beruhen mochte.
»Nerven regenerieren sich nicht.« Covenants Kehle war zusammengeschnürt, als ersticke er; es war ihm unmöglich zu schreien. »Ausgeschlossen!«
»Gewährt dir das solche Freiheiten?« wollte sie mit leiser, bitterer Stimme wissen. »Rechtfertigt das dein Verbrechen?«
»Verbrechen?« Er hatte das Wort durch das Rauschen der Schwingen vernommen wie einen Blitzschlag. »Verbrechen?« Das Blut lief ihm aus den Schnittwunden, als sei er ein normaler Mensch, aber der Blutfluß ließ stetig nach. Mit einem plötzlichen Ruck errang er die Gewalt über sich selbst zurück. »Ich habe Schmerzen«, rief er in gottserbärmlichem Ton. Der Klang seines Aufheulens fuhr ihm durch Mark und Bein, drückte die Finsternis, die ihn bedrohlich umlauerte, um einen Schritt zurück. Schmerzen! Diese Unwahrscheinlichkeit überbrückte für ihn einen Abgrund. Schmerzen waren gesunden Menschen vorbehalten, Menschen mit heilen Nerven. So etwas gibt es nicht. Natürlich nicht. Das beweist es – es beweist, daß all das hier nur ein Traum ist. Urplötzlich verspürte er das dringliche Bedürfnis zu weinen. Aber er war ein Leprakranker und hatte viel Zeit darauf verwendet, sich die Mahnung einzuprägen, daß solche Gefühlsregungen für ihn schädliche Wirkungen besaßen. Lepraleidende konnten sich keinen Katzenjammer leisten. Er zitterte fiebrig, als er seine verletzte Hand in den Bach tauchte.
»Schmerz ist Schmerz«, preßte Atiaran heraus. »Was bedeutet mir dein Schmerz? Du hast eine finstere Tat begangen, Zweifler – roh und grausam, ohne Mitgefühl oder Nachsicht. Du hast mir einen Schmerz zugefügt, den weder Blut fortwaschen noch die Zeit heilen kann. Und Lena, meine Tochter ...! Ach, ich bete darum, daß die Lords dich strafen werden ... strafen!«
Das Wasser des Bächleins war kalt und klar. Nach einer kurzen Weile spürte er die Kälte in seinen Fingern stechen, und von ihren Knöcheln drang ein dumpfer Schmerz bis herauf in das Handgelenk. Aus den Schnittwunden strömte mit dem Wasser Rot davon, aber die Kälte stillte die Blutung innerhalb kürzester Frist ganz. Während er zusah, wie das Rinnsal die Einschnitte ausspülte, verwandelten sich sein Elend und seine Furcht in Ärger. Außer Atiaran befand sich niemand in der Nähe; folglich schnauzte er sie an. »Wie käme ich überhaupt dazu, zu ihnen zu gehen? Mir ist hier alles scheißegal. Ich gebe keinen Pfifferling um euer heißgeliebtes Land.«
»Alle Sieben!« Atiarans harte Stimme schien die Worte aus der Luft zu meißeln. »Du wirst nach Schwelgenstein gehen, und sollte ich dich jeden Schritt des Weges schleifen müssen.«
Er hob seine Hand aus dem Wasser und begutachtete sie. Triocks Steinmesser hatte die Haut so säuberlich aufgeschnitten wie eine Rasierklinge; die Wunden wiesen keine Unregelmäßigkeiten auf, in denen sich Dreck festsetzen konnte oder die die Heilung erschweren würden. Aber bei seinen beiden mittleren Fingern waren
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