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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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mit Frühjahrswein. Auch davon trank er. Von seinem Magen aus schien der Frühjahrswein mit langen, sanften Fingern seinen Körper zu ertasten, um jeden seiner geplagten Muskeln zu streicheln und zu entspannen, sie zu lockern, bis er meinte, nicht länger aufrecht sitzen zu können. Er legte sich sein Bündel als Kissen zurecht und streckte sich wieder zum Schlafen aus. Sein letzter Anblick, ehe ihm die Augen zufielen, war Atiaran, die auf der anderen Seite des Leuchtgefäßes saß, das Gesicht unermüdlich nach Norden gewandt.
     
    Der nächste Tag dämmerte klar, kühl und in herrlicher Frische herauf. Als die Dunkelheit vom Himmel wich, gelang es Atiaran endlich, Covenant zu wecken. Mühselig setzte er sich auf und rieb sich das Gesicht. Es dauerte einen Moment, bis er sich der zurückgekehrten Empfindungsfähigkeit seiner Nerven entsann; dann bewegte er die Hände vor seinen Augen, stierte sie an, als habe er sie noch nie gesehen. Sie lebten – lebten! Er warf die Decke beiseite, um seine Füße zu begutachten. Als er durch die Stiefelspitze auf seine Zehen drückte, machten die Blasen sich schmerzhaft bemerkbar. Seine Zehen waren ebenso lebendig wie seine Finger. Unbehagen wühlte in seinen Eingeweiden. Wie lange noch, fragte er sich mit einem Aufstöhnen, wie lange noch sollte das weitergehen? Er hatte nicht das Gefühl, noch erheblich mehr verkraften zu können. Dann fiel ihm ein, daß er keine Decke zur Verfügung gehabt hatte, als er einschlief. Atiaran mußte sie über ihn gebreitet haben. Er zog den Kopf ein und ging ihr vorerst aus dem Weg, indem er steifbeinig zum Bach stelzte, um sich das Gesicht zu waschen. Woher nahm sie bloß soviel Kraft, um solche Dinge für ihn zu tun? Während er sich kaltes Wasser auf die Wangen und an den Hals spritzte, mußte er feststellen, daß er von neuem vor ihr Furcht empfand.
    Aber sie verhielt sich ihm gegenüber nicht wie eine Gefahr. Sie gab ihm zu essen, erneuerte den Verband um seine verletzten Finger und räumte den Lagerplatz auf, als gehöre das alles zu einer Bürde, an die sie sich schon seit langem gewöhnt hatte. Nur die Fältchen der Schlaflosigkeit rings um ihre Augen und die grimmige Verpreßtheit ihrer Lippen zeigten, daß sie sich zusammennehmen mußte.
    Als sie fertig zum Weiterziehen war, unterzog er sich einer sorgsamen VBG, legte sich wieder den Gurt seines Bündels über die Schulter und folgte ihr erneut den Hohlweg hinab, als sei ihr steifer Rücken eine Herausforderung, der er nicht widerstehen konnte. Noch ehe der Tag verging, war er für diesen Rücken ein Fachmann; ihr Rücken gewährte keinerlei Zugeständnisse, er ließ nie einen Zweifel an seiner Autorität aufkommen, ließ niemals auch nur die geringste Rücksichtnahme spüren. Obwohl Covenants Muskeln sich verkrampften, bis sie so hart zu sein schienen wie Stein, obwohl die verspannte Wölbung seiner Schultern ihn unterm Bündel beugte, bis er wie ein krummer Krüppel dahinkroch, obwohl die Meilen seine wunden Füße quälten, bis er sich wie jemand dahinschleppte, über dem schon die Geier kreisen – ihr Rücken trieb ihn weiter wie ein Ultimatum mit dem Wortlaut: Vorwärts oder Wahnsinn. Andere Alternativen ausgeschlossen. Und es war ihm unmöglich, sie zu mißachten. Sie schritt ihm voraus wie eine Gestalt aus einem Alptraum, und er folgte ihr, als sei sie der Schlüssel zu seinem Dasein. Am späten Vormittag verließen sie das Ende des Hohlwegs und betraten den mit Heidekraut bewachsenen Hang eines Hügels, der nahezu geradlinig nördlich vom hohen, düsteren Finger des Kevinsblicks lag. Von ihrem Standort aus sahen sie die Südlandebenen im Westen; und am Ende des Hohlwegs floß der Bach in ebendiese Richtung, um in unbestimmter Ferne in den Mithil zu münden. Aber Atiaran führte Covenant nach wie vor nordwärts, strebte streckenweise die Reste von Pfaden entlang oder über offenes Weideland ohne Weg und Steg dahin, das an die Hügel zur Rechten grenzte. Im Westen war das Grasland der Ebenen stark mit Farnkraut überwuchert, das im Sonnenschein bläulich leuchtete. Im Osten erhoben sich würdevoll die Hügel; ihre Kuppen lagen um etliche Dutzend Meter höher als der Weg, den Atiaran in ihrem Vorfeld eingeschlagen hatte. Auf diesem Weg durch die Mitte wechselte das Heidekraut mit breiten Streifen von Rispengras. An den Abhängen der Hügel gediehen sowohl hohe Bäume – Eichen und Platanen in kleinen Hainen, ein paar Ulmen und eine Baumart mit goldfarbenem Laub, dem Ahorn

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