Der Fluch des Verächters - Covenant 01
Gabe, die seine Finger längst vergessen hatten; er wußte nichts damit anzufangen. Unmöglich , lautete darauf seine einzige Antwort. Unmöglich! Unbeachtet rann sein Blut an seinem Handgelenk hinab. Zuckungen suchten sein Gesicht heim. In der Luft über ihm ballte sich Dunkelheit zusammen; es schien im Hohlweg zu sieden, als wimmle es darin von Schwingen und Klauen, die es auf nichts anderes abgesehen hatten als sein Gesicht. »Unmöglich!« stöhnte er.
Aber Atiaran und Triock waren miteinander beschäftigt; ihre Blicke mieden ihn, als sei er eine unreine Stelle. Als Atiaran Triocks Worte begriff, sank sie auf die Knie und verbarg das Gesicht in den Händen, senkte die Stirn bis auf den Erdboden. Ihre Schultern zuckten, als schluchze sie, doch gab sie keinen Laut von sich.
»Ich fand sie in den Hügeln, als dieses Tages Sonne erstmals die Ebenen berührte«, berichtete er erbittert, während sie mit ihrem Kummer rang. »Du weißt von meiner Liebe zu ihr. Ich beobachtete sie auf der Versammlung und war wenig froh darüber, wie dieser seltsame Fremde sie umgarnte. Es zerriß mir schier das Herz, daß sie sich so zu einem Manne hingezogen fühlen sollte, von dessen Kommen und Gehen niemand etwas weiß. Deshalb erkundigte ich mich spät am Abend bei Trell, deinem Gemahl, nach ihr, und ich erfuhr, sie sei über Nacht zu einer Freundin gegangen – zu Terass, Annorias Tochter. Daraufhin fragte ich bei Terass – und sie wußte gar nichts von Lenas angeblicher Absicht. Da fiel ein Schatten der Furcht auf mich, denn seit wann sollte es unter uns Lügner geben? Die ganze Nacht lang habe ich nach ihr gesucht. Beim ersten Tageslicht fand ich sie, ihre Kleidung zerrissen, Blut an ihrem Leib. Zuerst wollte sie sich mir entziehen, aber sie war schwach durch Kälte, Schmerz und Leid, und nur wenig später lag sie in meinen Armen und erzählte mir, was ... was dieser leibhaftige Wütrich ihr angetan hatte. Danach brachte ich sie zu Trell, ihrem Vater. Während er sich ihrer annahm, machte ich mich auf den Weg zurück zum Fluß, mit der Absicht, den Fremden zu töten. Als ich dich in seiner Begleitung sah, glaubte ich, daß auch du diese Absicht hegtest – daß du ihn in die Hügel führtest, um ihn dort zu erschlagen. Aber du gedenkst ihn zu bewahren – ihn, den Schänder Lenas, deiner Tochter! Auf welche Weise hat er dein Herz so verdorben? Du verbietest mir, ihn zu töten?! Atiaran, Trells Gemahlin, deine Tochter war ein Kind von solchem Liebreiz, daß ein Mann bei ihrem bloßen Anblick vor Freude Tränen vergießen mochte – nun ist ihre Unschuld dahin, brutal genommen ohne ihre Zustimmung und ohne jede Rücksicht. Antworte mir! Was haben Friedensschwüre uns noch zu bedeuten?«
Das wilde, tollwütige Schlagen dunkler Schwingen zwang Covenant nieder, bis er zusammengekauert im Bach hockte. Gedankenbilder flatterten durch sein Bewußtsein – Erinnerungen ans Leprosorium, an die Ärzte und ihre Worte. Man kann nicht hoffen . Ein Polizeiwagen hatte ihn angefahren. Er war in die Ortschaft gegangen, um seine Telefonrechnung zu bezahlen – um seine Telefonrechnung persönlich zu bezahlen. »Ausgeschlossen«, sagte er gemurmelt und mit einer von Entsetzen so entstellten Stimme, daß sie nicht länger wie seine eigene klang.
Langsam hob Atiaran den Kopf und breitete die Arme aus, als wolle sie ihren Busen einer Durchbohrung vom Himmel herab anbieten. Schmerz zeichnete ihr Gesicht, und ihre Augen glichen dunklen Kratern des Grams, den Blick nach innen auf ihre geforderte Menschlichkeit gerichtet. »Trell, steh mir bei«, sagte sie leise und mit schwacher Stimme. Dann gewann ihre Stimme wieder an Kraft, und ihre Worte der Pein schienen selbst die Luft ringsum in Mitleidenschaft zu ziehen. »Weh! Weh den Jungen in dieser Welt! Warum ist die Bürde, das Übel zu hassen, so schwer zu tragen? Ach, Lena, meine Tochter! Ich begreife, was du getan hast. Ich verstehe dich. Es ist eine tapfere Tat, wert jeglichen Lobes und höchsten Preisens! Vergib mir, daß ich in dieser Stunde der Prüfung nicht bei dir sein kann.« Nach einer Weile befaßte sich ihr Blick wieder mit den Dingen rundherum. Unsicher erhob sie sich, schwankte für einen Moment. »Treue ist vonnöten«, stieß sie rauh hervor. »Ich verbiete dir die Blutrache.«
»Soll er ungestraft davonkommen?« beklagte sich Triock.
»Dem Lande droht Gefahr«, antwortete sie. »Er muß zu den Lords. Mögen die Lords ihn bestrafen.« Ein Anklang unerbittlicher Härte floß in ihre
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