Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
Überraschung fühlte sich die Klinge auf seiner Haut regelrecht flutschig an, und sie schor ihm die Borsten ab, ohne daß er irgendwo ein zweites Mal schaben mußte. Innerhalb kurzer Zeit hatte er eine einigermaßen anständige Rasur vorgenommen, jedenfalls im Vergleich zu seinem vorherigen Aussehen, und sich dabei nicht verletzt. Er nickte seinem Spiegelbild spöttisch zu, steckte das Messer in sein Bündel und machte sich daran, sein Frühstück zu verzehren.
    Bald darauf waren Atiaran und er wieder marschfertig und bereit, die Wegrast zu verlassen. Sie winkte ihm, er möge vorausgehen; er tat ein paar Schritte durch den Pfad im Gesträuch, dann blieb er jedoch stehen und sah sich um, weil er wissen wollte, was sie noch trieb. Als sie die Räumlichkeit verließ, hob sie den Kopf zur Decke aus Laub. »Wir entbieten unseren Dank für die Wegrast«, sagte sie mit leiser Stimme. »Das Angebot dieses Geschenks ehrt uns, und indem wir es annehmen, erweisen wir dem Geber unsererseits die Ehre. Wir ziehen in Frieden.« Danach erst folgte sie Covenant zum Gesträuch hinaus.
    Als sie das offene Tal betraten, sahen sie dunkle Türme von Wolken sich aus dem Norden heranwälzen. Angespannt beobachtete Atiaran den Himmel, schnupperte in der Luft; das Bevorstehen von Regen erregte allem Anschein nach ihre äußerste Besorgnis. Ihre Reaktion machte die Gewitterwolken, die sich über ihnen zusammenbrauten, für Covenant noch unheimlicher, und als sie sich mit einer heftigen Gebärde ins Tal wandte, um die Wanderung nach Norden von neuem aufzunehmen, eilte er hinterdrein.
    »Was ist los?« rief er.
    »Zum Bösen gesellt sich das Übel«, gab sie zur Antwort. »Riechst du's nicht? Das Land ist unruhig.«
    »Was stimmt denn nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte sie so leise, daß er sie kaum verstehen konnte. »Es hängt ein Schatten in der Luft. Und dieser Regen ...! Ach, o Land!«
    »Was ist denn nicht in Ordnung mit dem Regen? Regnet's hier sonst nie im Frühjahr?«
    »Nicht aus dem Norden«, antwortete sie über ihre Schulter. »Des Landes Frühling kommt vom Südwesten her. Nein, dieser Regen stammt geradewegs vom Gravin Threndor. Der Höhlenschrat, widerrechtlich im Besitz des Stabes, erprobt seine Macht ... ich spüre es. Wir kommen zu spät!«
    Mit energischerem Schritt stemmte sie sich gegen den Wind, und Covenant schloß sich ihr an. »Beherrscht dieser Stab wirklich das Wetter?« erkundigte er sich, als die ersten Regentropfen auf seine Stirn klatschten.
    »Die Alt-Lords verwendeten ihn nicht zu diesem Zweck – sie verspürten nicht den Wunsch, dem Lande Gewalt anzutun. Aber wer kann sagen, was man mit solcher Macht nicht alles zu erreichen vermag?«
    Dann traf sie das Unwetter mit seiner vollen Wucht. Der Wind wehte den Regen südwärts, als teile der Himmel Peitschenhiebe aus, gegen sie und jedes andere in Reichweite befindliche wehrlose Lebewesen. Schon bald waren die Hänge der Hügel vom Wolkenbruch durchtränkt. Der Sturm rüttelte an den Bäumen, verwüstete die Weiden, knickte die Gräser; er vertrieb den Tag aus den Hügeln und begrub die Erde unter vorzeitiger Nacht. Binnen weniger Augenblicke waren Atiaran und Covenant klatschnaß; der Regen fiel wie aus Eimern, so daß sie nach Luft schnappen mußten. Sie behielten die Richtung bei, indem sie dem Tosen buchstäblich die Stirn boten, aber sie konnten nicht länger irgend etwas von der Landschaft vor ihnen erkennen; sie wankten felsige Abhänge hinunter, taumelten willenlos in hüfttiefe Bäche, kämpften sich mit eingezogenen Köpfen durchs Dickicht; sie stemmten sich gegen den Wind, als sei er die Strömung eines feindlichen Niemandslandes, eines Abgrundes, der vom Nichts unerbittlich ins Nichts verlief. Dennoch strebte Atiaran weiterhin in stolzer Haltung vorwärts, von rücksichtsloser Entschlossenheit getrieben, und die Furcht, von ihr getrennt zu werden, feuerte Covenant dazu an, um jeden Preis an ihren Fersen zu bleiben. Aber seine Kräfte ließen rasch nach. Mit einer zusätzlichen Anstrengung, die seinen Brustkorb zum Schmerzen brachte, holte er Atiaran ein, packte sie an der Schulter und brüllte ihr ins Ohr: »Halt! Wir müssen anhalten!«
    »Nein!« schrie sie zurück. »Wir kommen zu spät! Wir können's nicht wagen!«
    Durch das Heulen des Sturms drang ihre Stimme kaum zu ihm vor. Sie wollte sich ihm entziehen, aber er krallte sich in ihr Gewand. »Keine Wahl!« schrie er. »Das ist Selbstmord!« Der Regen prasselte mit unerträglicher Wucht

Weitere Kostenlose Bücher