Der Fluch des Verächters - Covenant 01
herab; beinahe löste sich sein Griff. Er nahm den zweiten Arm zu Hilfe, um Atiaran festzuhalten, zerrte ihr triefnasses Gesicht an seines heran. »Unterschlupf!« brüllte er. »Wir müssen halten und einen Unterschlupf finden!«
Durch die Regenschleier wirkte ihre Miene wie die einer Ertrinkenden. »Niemals!« antwortete sie. »Keine Zeit!« Mit einer ruckartigen Gewichtsverlagerung und einem Schwung ihrer Arme stieß sie ihn von sich, brachte ihn zu Fall. Ehe er sich aus eigener Kraft aufzuraffen vermochte, ergriff sie seine rechte Hand und begann ihn durch Gras und Schlamm mit sich zu zerren, wie eine unhandliche Last gegen den Widerstand des Unwetters mitzuschleifen. Bei ihrem Vorgehen entwickelte sie eine solche Kraft der Verzweiflung, daß sie ihn bereits einige Meter weit mitgerissen hatte, bevor es ihm gelang, sich aufzurappeln und die Füße wieder auf den Untergrund zu setzen.
Als er sich emporkämpfte, entglitt seine Rechte ihrem Zugriff, und sie entfernte sich von ihm. »Zur Hölle, wir müssen anhalten!« brüllte er und stolperte hinterdrein. Aber sie entzog sich trotz des Sturms seinem nochmaligen Versuch, sie zum Stehen zu bringen, und taumelte aus seiner Reichweite. Er wankte ihr nach. Für ein ganzes Weilchen schlitterte und torkelte er durch den gräßlichen Regen, um Anschluß an ihren unerreichbaren Rücken zu halten, wutentbrannt darauf bedacht, sie wieder in die Hände zu bekommen. Aber anscheinend belebte irgendeine innere Quelle ihre Kräfte dermaßen, daß er damit nicht gleichziehen konnte; er blieb rasch zurück. Der Regen behinderte ihn so stark, als versuche er einen Brecher zu unterlaufen. Dann trat er fürchterlich fehl und schlitterte einen Hügel hinunter, Schlamm im Gesicht. Als er den Blick bergan hob, sah er durch Regen und Dreck, daß Atiaran aus seinem Blickfeld verschwunden war, in der Düsternis des Sturms untergetaucht, als entsetze sie sich vor ihm, fürchte sich vor seiner Berührung. Covenant rappelte sich erneut auf. »Hölle und Verdammnis!« heulte er in die wilden Wolken empor. »So etwas kann man mit mir nicht machen!« Mit einemmal explodierte an seiner Seite, gerade als seine Wut ihren Höhepunkt erreichte, eine grelle weiße Glut. In seiner linken Hand entstand ein Gefühl, als habe sie ein Blitz getroffen. Die Erscheinung warf ihn um. Für eine Weile, deren Dauer er nicht ermessen konnte, lag er benommen im Dreck, sich nur der Gewalt dieser Detonation und des brennenden Schmerzes in seiner Hand bewußt. Sein Ehering schien in Flammen zu stehen. Aber als er sich so weit erholt hatte, daß er dazu in der Lage war, seine linke Hand näher zu begutachten, vermochte er an seinen Fingern keine Anzeichen einer Verbrennung festzustellen, und der Schmerz wich, während er noch ratlos nach der Ursache suchte. Er schüttelte den Kopf und setzte sich auf. Nirgendwo rings um ihn waren Spuren einer Explosion zu sehen. Ihm war unbestimmt klar, daß sich irgend etwas verändert hatte, aber in seiner Verwirrung ersah er zunächst überhaupt nicht, worum es sich handelte. Mühevoll richtete er sich auf. Bereits nach einem Moment des Umherspähens sah er ein Dutzend Meter voraus Atiaran am Hang liegen. Es schwindelte ihm vor Fassungslosigkeit, aber er wankte mit einiger Vorsicht zu ihr hinüber, konzentrierte sich auf sein Gleichgewicht. Sie lag auf dem Rücken, anscheinend unverletzt, und starrte ihm entgegen, als er sich näherte.
»Was hast du getan?« fragte sie in sichtlicher Verwunderung, als er zu ihr trat.
Der Klang ihrer Stimme half ihm dabei, seine Sinne zu klären. »Ich?« brachte er ohne zu lallen hervor. »Ich habe ... nichts getan.«
Langsam erhob sich Atiaran. Als sie vor ihm stand, musterte sie ihn voller Ernst, aber auch Unsicherheit. »Etwas hat uns Unterstützung geleistet«, sagte sie. »Schau nur, der Sturm hat nachgelassen. Und der Wind hat gedreht – er weht wieder aus der gewohnten Richtung. Gravin Threndor droht nicht länger. Gelobt sei die Erde, Zweifler, wenn dies nicht dein Werk ist.«
»Natürlich ist es nicht mein Werk«, brummte Covenant. »Ich bin kein Wettermacher.« Seinem Ton fehlte es diesmal an Schroffheit. Er war insgeheim darüber entsetzt, daß er eine so entscheidende Änderung der Wetterverhältnisse nicht selbst sofort bemerkt hatte. Atiarans Angaben entsprachen der Wahrheit. Der Wind hatte sich gedreht und wehte erheblich schwächer. Der Regen fiel stetig, aber ohne jede Heftigkeit; er war nun bloß noch ein lauer, durchaus nicht
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