Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
Vom Netzwerk:
enger ein.
    Am Nachmittag hatte er den Eindruck, daß sich seine Wahrnehmung jenes Störfaktors praktisch mit jedem Schritt verstärkte. Sein Blick ruckte an den Hügeln auf und ab, als rechnete er damit, im nächsten Moment die Quelle des Übelgeruchs zu entdecken. Seine Nasenhöhlen schienen schon von der Beständigkeit des Gestanks wund zu sein. Aber er bemerkte nichts – es gab für ihn nichts als Atiarans rastloses Ausschreiten durch die Senken und Mulden und Täler und die Ausläufer der Hügel, nichts als gesunde Bäume, Sträucher und Blumen und saftiges Gras, die Hülle und Fülle des Frühlings weithin auf dem Erdenrund, nichts als das Anwachsen irgendeiner Androhung von Üblem in der Luft. Sein Gestank war zudringlich scharf, und Covenant spürte auf unbestimmbare Weise, daß die Ursache ernst genug sein mußte, um Anlaß zum Klagen zu bieten. Die Empfindung von Übel und Gefahr vertiefte sich unerbittlich noch für geraume Zeit; dann jedoch veranlaßte eine plötzliche Veränderung in der Anspannung von Atiarans Rücken zum ruckartigen Stehenbleiben, Sekundenbruchteile bevor ihm Atiaran zuzischte, er solle anhalten. Sie hatte gerade den Hang eines Hügels soweit umrundet, daß sie von ihrem Standort aus in die Bodensenke hinabblicken konnte, die dahinter lag. Einen Moment lang verharrte sie, als sei sie auf dem Fleck versteinert, in geduckter Haltung, und spähte abwärts. Dann begann sie den Hang hinunterzulaufen. Covenant folgte sofort. Mit drei Sprüngen erreichte er die Stelle, wo sie vorhin stehengeblieben war; drunten in der Mulde wuchs ein vereinzeltes Dickicht, das dort einem grünen Inselchen in einem breiten Flußbett ähnelte. Er vermochte auf den ersten Blick daran nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Aber sein Geruchssinn sprach mit ungewohnter Heftigkeit an, und Atiaran lief geradewegs auf das Dickicht zu. Er stürmte hinterdrein.
    Nahe der Ostseite des Baumgürtels blieb sie von neuem stehen. Sie bebte wie im Fieber und schaute das Dickicht mit einer Miene von Entsetzen und Erbitterung an, als wolle sie es zwar betreten, brächte jedoch nicht den Mut dazu auf. »Ein Wegwahrer?!« rief sie dann plötzlich in höchstem Grauen. » Melenkurion! Ach, bei der Sieben, welch eine Übeltat!« Als Covenant ihre Seite erreichte, starrte sie wie in stummem Schrei zwischen die Bäume. Sie drückte vor ihrem Mund die Hände aneinander, und ihre Schultern zuckten. Sobald er ans Dickicht gelangte, sah er den engen Pfad, der durchs Grün hineinführte. Ohne sich viel dabei zu denken, schob er sich zwischen die Bäume. Mit fünf Schritten betrat er eine Räumlichkeit, die im wesentlichen denen anderer Wegraststätten glich; sie besaß gleichfalls aus Baumstämmen gebildete Wände, ein Dach aus Astwerk und verflochtenem Gezweig, Bettstellen und eine schrankartige Einrichtung, nur war sie rund. Doch waren hier die ›Wände‹ mit Blut bespritzt, und in der Mitte lag am Erdboden eine Gestalt.
    Ein Keuchen entfuhr Covenant, als er sah, daß die Gestalt kein Mensch war. Ihre Umrisse waren zwar allgemein menschenähnlich, aber der Rumpf war außergewöhnlich lang, wogegen die Gliedmaßen kurz waren, wenngleich von übereinstimmender Länge, so daß man unwillkürlich schlußfolgern mußte, daß Wesen dieser Art sowohl aufrecht stehen wie auch auf Händen und Füßen laufen konnten. Das Gesicht jedoch war für Covenants Begriffe vollkommen fremdartig. Ein langer, wendiger Hals verband den haarlosen Kopf mit dem Körper; zwei spitze Ohren ragten beiderseits der Schädeldecke auf, mit ihr fast in gleicher Höhe; der Mund war so dünn, als sei er nur eine Falte im Fleisch. Und das Geschöpf hatte keine Augen. Den Mittelpunkt des Gesichts füllten zwei weite Nüstern aus, umgeben von einer wulstigen, fleischigen Membran. Irgendwelche anderen markanten Züge wies der Kopf nicht auf. Mitten durch die Brust der Kreatur war eine lange Eisenstange gerammt, die sie am Erdboden festnagelte. Die Räumlichkeit stank so fürchterlich nach Gewalt, daß Covenant schon nach wenigen Atemzügen glaubte, er müsse ersticken. Am liebsten hätte er blindlings die Flucht ergriffen. Er war ein Lepraleidender; selbst tote Dinge konnten ihm gefährlich werden. Aber er zwang sich zum Bleiben, um sich über einen bestimmten Eindruck an Ort und Stelle Klarheit zu verschaffen. Beim ersten Anblick der Kreatur hatte er gedacht, hier sei lediglich eine Scheußlichkeit endlich vom Antlitz des Landes vertilgt worden. Aber während er sich

Weitere Kostenlose Bücher