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Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Der Fluch des Verächters - Covenant 01

Titel: Der Fluch des Verächters - Covenant 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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zusammennahm, berichtigten seine Augen und seine Nase seine Meinung. Das Übel, das seine Sinne beleidigte, stammte von der Mordtat – von der Eisenstange –, nicht von dem toten Wesen. Dessen Haut wies einen Anflug von verwüsteter, verwelkter Gesundheit auf; es war eine Kreatur mit einem Recht zum Dasein gewesen, ein normaler Bestandteil des Lebens im Lande. Covenant würgte, geplagt vom Gestank des Verbrechens, machte kehrt und verließ die Stätte.
    Als er wieder hinaus in den Sonnenschein trat, sah er Atiaran sich bereits weiter nach Norden entfernen; sie hatte die Mulde schon beinahe verlassen. Covenant bedurfte keines besonderen Anreizes, um sich ihr so schnell wie möglich anzuschließen; seine Gliedmaßen schmerzten schier aus Verlangen, soviel Abstand wie überhaupt vorstellbar zwischen sich und die entweihte Wegrast zu bringen. Er rannte in Atiarans Richtung, als schnappten Raubtierkiefer nach seinen Fersen.
    Für den Rest des Tages bereitete es ihm immer mehr Erleichterung, möglichst viele Meilen zurückzulegen. Die Schärfe jenes widerwärtigen Geruchs schwächte sich allmählich ab, während sie ihren Marsch zügig fortsetzten. Aber er unterschritt nie einen gewissen Grad von Intensität. Als Ermüdung und Dunkelheit Atiaran und Covenant zum Lagern zwangen, war er davon überzeugt, daß sich nach wie vor eine Unannehmlichkeit voraus befand – daß der Mörder des Wegwahrers sich in boshafter Absicht ihnen voraus nordwärts bewegte. Atiaran teilte anscheinend diese Auffassung; sie fragte ihn, ob er mit dem Messer, das er mitführte, umgehen könne.
    Er vermochte nicht einzuschlafen und wandte sich nach einer Weile seinerseits mit einer Frage an sie. »Hätten ... wir ihn nicht begraben sollen?«
    Mit leiser Stimme antwortete sie ihm von ihrer überschatteten Bettstatt aus über das gedämpfte Licht des Leuchtgefäßes hinweg. »Sie wüßten unsere Einmischung nicht zu schätzen. Sie werden sich selber darum kümmern. Aber mich quält die Furcht, daß sie wegen dieses Vorfalls das Band zerreißen könnten, das sie mit den Lords verbindet.« Dieser Gedanke jagte Covenant einen Schauder ein, den er sich selbst nicht recht erklären konnte, und die halbe Nacht lang lag er unterm spöttischen Funkeln der Sterne ohne Schlaf.
    Der nächste Tag dämmerte für die beiden Reisenden mit einem kärglichen Frühstück. Atiaran hatte am Vortag ihre Vorräte in der Wegrast erneuern wollen, aber infolge ihrer überstürzten Flucht standen ihnen nun kein Frühjahrswein und nur wenig Brot sowie Beigaben zur Verfügung. Sie schwebten jedoch keineswegs in Gefahr, verhungern zu müssen – an ihrem Weg wuchsen Schatzbeeren in Massen. Sie mußten lediglich den Tag ohne warme Nahrung beginnen, die ihnen nach der ungemütlichen nächtlichen Kälte mehr Standfestigkeit verliehen hätte. Und sie mußten in dieselbe Richtung, die der Mörder des Wegwahrers eingeschlagen hatte. Covenant stapfte mit einer Erbitterung durch den Morgen, als wäre eigentlich er das vorgesehene Mordopfer gewesen und nur irrtümlicherweise davongekommen. Erstmals seit mehreren Tagen beschäftigte er sich in Gedanken mit Seibrich und Lord Foul. Ihm war vollauf klar, daß jeder der beiden dazu imstande war, einen Wegwahrer zu ermorden, sogar grundlos zu ermorden. Und zumindest dem Verächter mußte man ohne weiteres zutrauen, daß er wußte, wo er, Covenant, sich aufhielt. Aber der Tag verstrich, ohne daß sich etwas Unerfreuliches ereignete. Das verschwommene, aber hartnäckige Unbehagen in der Luft verstärkte sich nicht, und die Aliantha -Sträucher standen überall. Während sie eine Meile um die andere zurücklegten, linderte sich Covenants Wut. Seine Gemütsverfassung lockerte sich so weit, daß er wieder die pralle Gesundheit ringsherum auskosten konnte, in uneingeschränkter Bewunderung die Bäume zu betrachten vermochte, die herrischen Eichen, würdevollen Ulmen und tröstlich breiten Wipfel der Güldenblattbäume, auch das zarte Filigran der Mimosen, die lebenskräftigen Schößlinge an geschmeidigen Gerten; und im weiteren Umkreis die ruhigen Konturen der Hügel, die wie Häupter Schlummernder ans jenseitige Gebiet der westlichen Ebenen gelehnt lagen. Diese Eindrücke vermittelten ihm ein neues Gespür für den Pulsschlag und das Innehalten des Landes, sein Steigen der Säfte und die Stille seiner Felsen. Im Vergleich dazu wirkte die Fährte des Todes sowohl vernachlässigbar – neben der weiträumigen, überreichlichen Kraftfülle der

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