Der Fluch vom Valle della Luna
und so weiter. Sag ihm, ein Verdacht auf Entführung mache dies alles notwendig. Lediglich eine informelle Observierung, die sollen nicht misstrauisch werden. Es ist nur eine Idee, eine Vermutung, wir haben nichts in der Hand. Wenn die spitzkriegen, dass sie beobachtet werden, dann addio .«
Valeria wollte schon aufstehen, doch Nelly hielt sie zurück.
»Ich will außerdem eingehende Informationen zu einer Person, Filippo De Magistris.«
»Der neulich als vermisst gemeldet wurde?«
»Genau der. Vor allem über seine Familie. Alles, was du finden kannst. Danke, Valeria, du kannst gehen.«
Nelly holte Marco und Gerolamo und ging direkt zu Tano. Der Polizeivize machte ein erstauntes Gesicht, als er sie einen nach dem anderen eintreten sah.
»Ganz ruhig, ich erklär’s dir. Wir müssen über die Pisu-Entführung reden.«
Tano hob die Hände.
»Nein, ich bitte dich, nenn sie doch wenigstens Pizzi. Ich krieg Ausschlag, wenn ich den Namen höre.«
»Entschuldige, also die Pizzi-Entführung. Wobei wir noch nicht einmal wissen, ob es sich um eine Entführung oder um einen als Entführung getarnten Mord handelt.«
Die drei Männer hatten im Halbkreis um die aufgeregte Nelly Platz genommen und sahen sie gespannt an.
»Angenommen, es steckt jemand hinter den ganzen ›Unglücksfällen‹, die die Familie Pisu-Pizzi in den letzten Monaten heimgesucht haben«, hob Nelly an. Die anderen blieben stumm. Es wäre zu früh gewesen, etwas gegen die Lieblingsthese der Kommissarin einzuwenden. Zuerst wollten sie hören, was sie noch zu sagen hatte. »Und die anonymen Briefe kündigten tatsächlich eine Rache an.« Schweigen. »›Schweine. Das werdet ihr büßen.‹ Und die Pisus büßen tatsächlich. Mit dem Leben. Sämtliche Männer im Haus. Die Frage oder besser die Fragen, auf die wir eine Antwort brauchen, lauten: Wieso mussten sie sterben? Was haben sie getan, um als Schweine bezeichnet zu werden? Und wer hat sich mit so gnadenlosem Geschick an ihnen rächen wollen?«
Nelly sah ihre Zuhörer einen nach dem anderen an. Tano machte ihr ein Zeichen, weiterzureden.
»Aller Wahrscheinlichkeit nach hat diese Vendetta im Heimatdorf der Pisus ihren Anfang genommen. Auch dort hat es bereits ›Unfälle‹ gegeben, die der Brüder Rodolfo und Samuele.«
Tano wurde ungeduldig.
»Bis hierher nichts Neues, Nelly.«
Sie sah ihn fast flehentlich an.
»Tano, bitte. Nur mal angenommen, okay? Lass mich wenigstens ausreden.«
»Schon gut, schon gut, entschuldige. Red weiter.«
»Die Pisus sind inzwischen mit den ebenso mächtigen, wenn nicht mächtigeren Seccis verwandt, die sie schon bei mehr als einer Gelegenheit gedeckt hatten. Giacomo Pisu und die in etwa gleich alten Secci-Brüder Giosué und Giovanni entdecken das lukrative Geschäft der Personenentführung. Sie spannen dafür die Sogos-Brüder Gavino und Panni ein. Und noch jemanden, den wir nicht kennen. Sie spezialisieren sich auf Kindesentführung. Drei laufen glatt, die vierte und einträglichste der kleinen Annabelle Simon geht schief, weil einer gesungen hat. Die Geisel ist verloren, Gavino und Panni Sogos bleiben auf der Strecke, einer ist tot, der andere verletzt und gibt die Namen seiner Komplizen niemals preis.«
Nelly holte Luft und musterte die Gesichter von Tano und ihren Mitarbeitern, die eher genervt als beeindruckt dreinschauten. Marco wagte einen vorsichtigen Einwand.
»Ja, so etwas in der Art hattest du uns schon nach deiner Rückkehr aus Sardinien erzählt. Alles möglich, aber leider nicht zu beweisen. Wo ist jetzt der Zusammenhang mit der ...«
»... Pizzi-Entführung?«, schnitt Nelly ihm das Wort ab. »Eben genau da: dass wir es wieder mit einer Entführung zu tun haben, zwar nicht von einem Kind, sondern von einer Frau, aber von einer Pisu. Seht ihr denn die Parallele zum Fall der kleinen Annabelle Simon nicht?«
»Ehrlich gesagt, sehe ich rein gar nichts, Nelly. Das ist Jahre her, die Leute, die etwas mit dieser Geschichte zu tun hatten, die sich – vielleicht, womöglich, wer weiß – in Sardinien abgespielt hat, sind tot oder von Alter und Krankheit außer Gefecht gesetzt, wer um alles in der Welt könnte ...«
»Tano, man ist immer davon ausgegangen, nur Gavino und Panni seien an den Kindesentführungen beteiligt gewesen, aber Boboi, der jüngste Bruder, war damals achtzehn Jahre alt. Allemal alt genug, um als wie auch immer gearteter Komplize zu dienen. Normalerweise ist immer die ganze Familie in diese Art von Entführungen verwickelt.
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