Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
lange mit eurem Pfarrer gesprochen – dem mit der weißen Haarmähne – und ihm von einigen meiner Überlegungen
erzählt.« Er sah sie eindringlich an. »Ich glaube, er und ich haben ähnliche Theorien, Joss. Aber er geht das Ganze intuitiv an, da bin ich ihm als Historiker vielleicht überlegen. Ich weiß, wo ich nach den Beweisen suchen muß.«
»Den Beweisen?« Sie ließ den Kopf gegen die Rückenlehne sinken. »Welche Beweise?«
»Beweise eben. Gerüchte. Chroniken. Urkunden. Briefe. Vielleicht keine Beweise, die ein Gericht anerkennen würde, aber vielleicht doch etwas, das erklärt und näher beschreibt, was in der Vergangenheit hier passiert ist.«
»Damit es nicht wieder passiert?«
»Wenn wir nicht wissen, was es wirklich ist, können wir es nicht aus der Welt schaffen, Joss.«
»Und die Antwort ist in der Kirche?«
»Vielleicht.« Er stand auf und streckte ihr eine Hand engegen. »Komm. Nutz die Chance, solange die Großmütter hier sind und sich noch mit Begeisterung um ihren neuen Enkel kümmern. Pack die Gelegenheit beim Schopf, wer weiß, wann sie sich wieder bietet.«
»Also gut.« Sie ergriff seine Hand und ließ sich von ihm aus dem Sessel ziehen. »Dann sehen wir mal nach.«
Der Pfad zur Kirche, eigens für die Taufe ordentlich beschnitten, war von rosafarbenen Rosen gesäumt, die wie schwere Vorhänge von den Sträuchern herabfielen, umrahmt von Büschen und Efeu. Das weiche Moos, das nach dem Gewitterregen in frischem Grün leuchtete, dämpfte den Hall ihrer Schritte. Als sie das Kirchenportal erreichten, drehte Joss den Griff und stieß die Tür auf, dann traten sie in die dämmerige Kühle.
»Die Blumen sind sehr schön.« David zog die schwere Tür hinter sich zu.
»Wir sind nicht gekommen, um die Blumen zu bewundern.« Joss wandte den Blick von dem Fenster mit den weißen Rosen. Eine der Knospen war voll erblüht, und der Wind hatte die Blütenblätter auf den Boden geweht.
»Hier oben.« Er ging auf die Stufen zum Altarraum zu. »Gower sagte, man müßte unter den Teppich sehen.«
Sie betrachteten den verblichenen persischen Läufer, der den Boden zwischen den Kirchenbänken bedeckte. Trotz des trüben
Lichts konnte man erkennen, daß er früher sehr farbenprächtig gewesen war. David bückte sich und schlug eine Ecke zurück. »Guter Gott. Sieh mal! Er hat recht. Hier ist eine wunderschöne Bronzeplatte.« Er zog den Teppich noch weiter zurück, so daß schließlich eine außerordentlich kunstvoll verzierte Grabplatte von etwa zwei Meter Länge vor ihnen lag.
»Das ist eine Frau«, sagte Joss nach einer Weile. Dann verzog sie das Gesicht. Etwas anderes konnte man in Belheddon kaum erwarten.
»Eine wunderschöne, wohlhabende Frau.« David stand mit dem Rücken zum Altar, so daß er das Relief von der richtigen Perspektive aus betrachtete. »Gower sagte, die Platte wäre erst 1965 entdeckt worden, als der Holzboden wegen Trockenfäule entfernt werden mußte. Irgendwann hatten sie damit den alten Steinfußboden erhöht.«
»Wer ist sie denn?« Joss stellte sich neben ihn.
»Margaret de Vere. Da.« Er deutete auf die Buchstabenschnörkel: »Hic jacet … Margaret … uxor … Robert de Vere … morete in anno domine 1485.« Mit einem Blick auf Joss erklärte er: »Das ist Katherines Mutter!«
Katherine!
Sie hatte bemerkt, wie der Blick des Königs dem Mädchen durch den ganzen Saal gefolgt war, und schon seit langer Zeit ahnte sie sein Verlangen.
»Ehegatten können beseitigt werden, mein Herr.« Ihre Augen verengten sich, aber sie lächelte.
Die Anwesenheit dieser Frau ließ ihn schaudern. Aber trotzdem sehnte sich sein ganzer Körper danach, dieses Mädchen zu besitzen.
David kauerte vor den eleganten, spitz zulaufenden Füßen der Frau und legte zaghaft einen Finger auf die kalte Bronze. »Margaret de Vere wurde beschuldigt, Zauberei und Wahrsagerei zu betreiben, was soviel wie Hexerei bedeutete«, flüsterte er. »Es wurde sogar gemunkelt, daß sie den Tod des englischen Königs herbeiführte – den Tod von Edward IV., dem König, der nach Belheddon kam.«
Es folgte ein langes Schweigen. Anfangs wollte Joss diesen Gedanken ungläubig von sich weisen, doch jetzt geriet sie ins Wanken. In Belheddon war alles möglich.
»Was ist mit ihr passiert? Ist sie verbrannt oder gehängt worden? « Joss starrte auf die arroganten Züge unter dem prachtvollen Kopfschmuck.
»Weder – noch. Man konnte ihr nichts nachweisen. Sie ist zu Hause im Bett gestorben.«
»In
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