Der Fluch
befreien soll.
Ich fühle mich von jedem beobachtet. Tausend Augen um mich herum. Und in mir so viele Gedanken, die meinen Kopf blockieren. Ich kann mich kaum auf die Arbeit konzentrieren. Bin total nervös und überlege jeden Schritt zehn Mal.
Dabei ist doch im Grunde genommen gar nichts passiert. Ein fehlerhafter Stundenplan, eine Freundschaftsanfrage von einer unbekannten Sally, ein paar Typen, die blöde Sprüche machen.
Alles erklärbar, alles harmlos.
Warum nur bringt mich das Ganze so durcheinander?
Als die Woche endlich vorbei ist, weiß ich nicht, ob ich erleichtert sein soll oder nicht. Einerseits sehne ich mich nach der Ruhe des Wochenendes. Andererseits lenkt mich der Trubel mit den Erstsemestern ab und gibt mir das Gefühl, gebraucht zu werden.
Am späten Freitagnachmittag ist die Aufregung auf den Gängen zu spüren. Durch das Fenster meines Zimmers beobachte ich, wie sich die Autos und Busse auf dem Parkplatz stauen. Zwei Drittel aller Studenten ziehen das Regenwetter und die Kälte in Fields dem trügerischen Himmel im Tal vor. Ich nutze die Zeit nach den Vorlesungen, um mein Zimmer auf Hochglanz zu bringen, ehrlich gesagt schufte ich wie eine Wahnsinnige und zum Schluss überziehe ich noch das Bett neu, streife die Tagesdecke so glatt, dass ich damit einen Preis gewinnen könnte.
Am Schluss stelle ich die Bücher ins Regal und lege die Paul-Morrison-Biografie, die ich gerade lese, auf meinen Nachttisch.
Fertig.
Draußen ist es still geworden und das Gleiche gilt für das Apartment. Ich habe Katie heute Morgen beim Frühstück in der Mensa getroffen, aber jetzt scheint sie nicht da zu sein. Vielleicht ist sie mit Tim Yellad unterwegs, ich habe seinen Wagen vorhin auf dem Parkplatz gesehen.
Wie so oft frage ich mich, ob die beiden etwas miteinander haben, aber das kann man bei Katie nicht wissen. Auch wenn sie inzwischen weitaus gesprächiger als am Anfang geworden ist – über sich selbst verrät sie so gut wie nie etwas.
Nachdem auch das letzte Staubkorn beseitigt ist, bin ich unschlüssig, was ich nun tun soll. Ich überlege, ins Atelier zu gehen, aber ich fühle mich zu rastlos, um zu malen.
Stattdessen nehme ich mir ein frisches Handtuch aus dem Schrank und verlasse das Zimmer. In der Badewanne kann ich mich am besten entspannen.
Als ich die Tür des Badezimmers hinter mir schließe, stelle ich fest: Der Schlüssel fehlt. Ich habe keine Lust, dass Katie hereinplatzt, wenn ich in der Badewanne liege. Ihr macht es nichts aus, zu jeder Tages- und Nachtzeit nackt durch das Apartment zu rennen. Ich dagegen brauche meine Intimsphäre. Kurz entschlossen hole ich einen Stuhl aus der Küche und stellte ihn innen vor die Tür.
Nachdem ich mich ausgezogen und die Kleider ordentlich über das Waschbecken gelegt habe, drehe ich das Wasser auf und steige in die Wanne. Wie immer dauert es eine Weile, bis ich die richtige Temperatur eingestellt habe. Als ich endlich zufrieden bin, lege ich den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und sinke in das warme Wasser. Langsam beginne ich, mich einzuseifen, und allmählich fällt die Anspannung von mir ab.
Draußen geht eine Tür auf und wieder zu.
Katie ist zurückgekommen.
Vielleicht können wir nachher zusammen mit Robert und David etwas kochen, überlege ich träge. Wenn die sich von ihren geheimnisvollen Studien in der Bibliothek losreißen können.
Ich lausche den festen Schritten im Apartment und muss grinsen. Katie könnte sich gar nicht anschleichen, selbst wenn sie wollte.
Das Wasser ist in der Zwischenzeit merklich abgekühlt und ich drehe den Hahn noch einmal auf.
Oh Gott, ist das heiß!
Ich rechne fest mit Brandflecken auf meinen Oberschenkeln. Meine Hand schnellt nach vorne, ich greife panisch nach dem Wasserhahn und drehe ihn ein Stück nach links. Nun trifft mich die kalte Flut.
Wirklich, dieser Wasserhahn ist ein Albtraum. Nicht nur die Stromversorgung am Grace spielt immer wieder verrückt, auch die Wasserleitungen folgen ihren eigenen Regeln. Frustriert drehe ich den Hahn zu und warte einige Sekunden. Drehe ihn wieder auf. Immer noch eiskalt. Ich gebe auf, bleibe einige Minuten im Wasser liegen und ziehe dann kurz entschlossen den Stöpsel aus dem Abfluss. Natürlich läuft das Wasser nicht richtig ab.
Meine Haare sind es mit Sicherheit nicht, die den Siphon verstopfen, denke ich und grinse.
Ich beeile mich, aus der Badewanne zu kommen, und schnappe mir ein dickes Handtuch vom Stapel neben der Badewanne.
Draußen höre ich
Weitere Kostenlose Bücher