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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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in diese Landschaft eingegraben war. Unwillkürlich wurde ich an Stonehenge in der Nähe von Amesbury in England erinnert, die konzentrischen Steinkreise, deren Bedeutung noch immer im Dunkeln liegt.
    Dead Valley, am Morgen
Nehme alle Kraft zusammen, um meinen Bericht fortzusetzen.
    Müde und erschöpft von dem langen, anstrengenden Marsch verspürte ich Hunger. Ich aß von den Pilzen. Nicht lange und ich ging in diesen Zustand über, in dem meine Sinne Dinge wahrzunehmen begannen, die weit über das Sichtbare hinausgingen. Ich tauchte in die Landschaft ein. Noch nie hatte ich die Macht der Natur so stark empfunden wie in diesem Moment. Es war, als ob ich ein Teil von ihr wurde. Ich fühlte mich in ihr so tief verwurzelt wie die Bäume in der Ferne, die sich dem Wind beugten, der über die Hochebene streifte. Mich überkam das Gefühl, dass es Orte gab, die die Götter erschaffen hatten. Ich begann, an eine andere Wirklichkeit zu glauben.
    Erst das Bellen des Hundes, der plötzlich verschwunden war, riss mich aus dieser Stimmung. Ich erhob mich und begann, nach ihm zu rufen, doch er tauchte nicht auf. Ich stolperte über die Felsplatte, bis Coyote plötzlich wieder vor mir stand. Unruhig lief er hin und her. Drehte sich, wandte sich von mir ab, kam wieder auf mich zu. Bis sein Blick mich zwang, ihm zu folgen.
    Dead Valley, wenige Stunden später
Der Tag ist bereits weit fortgeschritten. Ich liege vollständig angezogen und mit Schuhen da und friere fürchterlich. Das Wetter verschlechtert sich zusehends. Das Büffelfell, mit dem ich zugedeckt bin, ist von einer Eisschicht überzogen. Die Kälte kriecht durch die Ritzen und Löcher des Zeltes. Neben mir liegt Coyote und schläft. Und auch mich halten die Müdigkeit und die Erschöpfung gefangen. Doch ich will jede Minute nutzen, um die Erinnerung an meine Erlebnisse zu notieren.
    Es war nicht allzu schwer gewesen, den Grund für Coyotes Verschwinden zu finden. Er hatte in der Felsplatte den Zugang zu einer Höhle entdeckt. Eine quadratische Öffnung, die zu einer Art Schacht führte. Sein Bellen, das von unten zu mir heraufdrang, hallte dumpf von den Wänden wider. Ich überlegte nicht lange, sondern sprang durch das Loch hinunter. Das Tageslicht, das von oben nach unten drang, zeigte mir einen schmalen Durchgang, nicht mehr als einen Spalt in der Steinwand, hinter dem der Hund verschwunden war.
    Da wir von unseren Streifzügen öfters erst spät in der Nacht zurückkehrten, hatte ich genügend Lampenöl bei mir, sodass ich wenig später mit einer Fackel in der Hand dem Hund in das Dunkel folgte.
    Dead Valley, in der Morgendämmerung
Ich folgte Coyote in das unterirdische Tunnelsystem. Ich kann nicht sagen, ob es auf natürliche Art und Weise entstanden ist oder von Menschenhand geschaffen wurde. Das entzieht sich meiner Erkenntnis und meiner Erinnerung.
    Das Licht der Fackel, ein schmaler düsterer Lichtkegel, der seltsame Zerrbilder an die Wände warf, reichte gerade aus, das nächste Stück Weg auszuleuchten. Da immer wieder Seitengänge abzweigten, folgte ich dem Hund in der Überzeugung, dass sein natürlicher Instinkt eine größere Sicherheit bot als alle Spekulationen meines Verstandes.
    Das erscheint mir jetzt, wo ich wach auf meinem Lager liege, wie eine Halluzination. Ich kann nicht mehr unterscheiden, was Wirklichkeit war und was ich die letzten Tage und Nächte träumte, als ich wie bewusstlos im Zelt lag, unfähig aufzustehen.
    Aber kann es etwas anderes gewesen sein als ein Traum? Denn immer wieder traf ich auf Mauern, die sich wie durch Geisterhand öffneten, sobald ich davorstand. Als hätte dieser Ort unter dem Tal mich erwartet. Ich hatte zunehmend das Gefühl, ich sei auserwählt, die Geheimnisse, die dort unten lagen, zu erforschen.
    Dead Valley, am Abend
Ich kann im düsteren Licht der Lampe kaum schreiben. Meine Hände sind steif vor Kälte und die Decke ist gefroren. Aber ich muss mit meinen Aufzeichnungen fortfahren.
    In den Gängen verlor ich bald jede Orientierung. Ich befand mich irgendwo unter der Erde. Wie seltsam, dass ich die ganze Zeit über, während ich dem Hund durch dieses Labyrinth folgte, keine Angst verspürte. Und ich spielte nicht eine Sekunde mit dem Gedanken, umzukehren.
    Der Ort, an den der Hund mich brachte, war nicht allzu groß. Doch handelte es sich nicht einfach nur um eine Höhle. Es war eine Art Rotunde, ein kreisrunder Raum, den ich betrat. Die Luft, die mir entgegenschlug, war staubig.
    Da das Licht der Fackel

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