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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Stein dieser Qualität ist aber selten. Kennt man die Minen, in denen Diamanten dieser Güte gefördert werden?«
    »Ja, in der Tat. Aber es gibt viele Adern, und heutzutage wird überall abgebaut. Vorherrschend sind natürlich Südafrika und Zentralafrika. Aber auch Angola und Rußland sind derzeit recht >fruchtbar<.«
    »Wo kann man solche Rohsteine denn verkaufen?«
    »Nur an einem Ort der Welt: Antwerpen. Alles, was nicht über De Beers geht, das heißt zwanzig bis dreißig Prozent des Marktes, wird in den Diamantenbörsen von Antwerpen verkauft.«
    »Haben Sie dem Mädchen dasselbe gesagt?«
    »Selbstverständlich.«
    Meine Alice war also unterwegs nach Antwerpen. Das Tagesgericht kam: Bohnenbratlinge mit Kichererbsenpüree und Olivenöl. Völlig gleichmütig nahm Isaak seine Pitas in Angriff.
    Ich beobachtete ihn eine Weile. Er schien geneigt, mir sämtliche Erklärungen zu liefern, die ich wollte, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. In seinem schrägen Blick las ich nichts anderes als Geduld und Wachsamkeit. Er war ein Mensch, der sich über nichts wunderte. Seine jahrzehntelange Erfahrung als Diamantschleifer war in der Tat ein Faß der Danaiden, wahrscheinlich hatte er es in seinem Leben immer wieder mit Draufgängern, Desperados und Verrückten von meiner Sorte zu tun gehabt.
    »Wie spielt sich das denn ab in Antwerpen?« fragte ich.
    »Na, das ist ziemlich beeindruckend. Die Diamantenbörsen sind so gut bewacht wie das Pentagon. Von allen Seiten fühlt man sich durch unsichtbare Kameras beaufsichtigt. Aber dort gibt es keinerlei politische Couleur oder Rivalitäten, die Qualität der Steine ist das einzige, was zählt.«
    »Und was sind die Haupthindernisse für den Verkauf solcher Diamanten? Ist zum Beispiel auch ein illegaler Handel denkbar, eine Art Kettengeschäft mit vielen Zwischenhändlern?«
    »Ein Kettengeschäft?« wiederholte Isaak mit spöttischem Lächeln. »Ja, sicher. Aber der Handel mit Rohdiamanten ist eine Welt für sich, Monsieur Antioche. Zweifellos die bestbewachte Festung auf der ganzen Welt. Angebot und Nachfrage sind strengstens reglementiert, nämlich durch De Beers. Für die meisten Diamanten der Welt sind die Voraussetzungen für Einkauf, Sortierung und Lagerung festgesetzt, genauso wie es nur ein einziges Verkaufssystem gibt. Die Aufgabe des Systems besteht darin, in regelmäßigen Abständen eine bestimmte Menge von Steinen in Umlauf zu bringen, den Diamantenhahn, wenn Sie so wollen, zu öffnen und wieder zu schließen, und zwar weltweit, um unkontrollierbare Schwankungen zu verhindern.«
    »Wollen Sie damit sagen, daß ein - sagen wir: privater Handel mit Rohdiamanten unmöglich ist, daß De Beers den Umlauf sämtlicher Diamanten kontrolliert?«
    »Nun, da sind immer noch die Steine, die in Antwerpen verkauft werden. Aber Ihre Idee eines Kettengeschäfts läßt mich schmunzeln. Sie denken an Hehlerei? Wissen Sie, wenn regelmäßig sehr schöne Stücke angeboten würden, wäre der Markt destabilisiert, und man würde die Quelle sofort aufspüren.«
    Ich holte mein gefaltetes Papier aus der Tasche und ließ Wilms Diamanten in seine Hand gleiten.
    »Stücke wie dieses zum Beispiel?«
    Isaak wischte sich den Mund ab, setzte seine Brille auf und hielt sich den Stein vor sein Expertenauge. Rings um uns lärmte der Markt.
    »Ja, zum Beispiel«, sagte Isaak und sah mich ungläubig an. »Eine bestimmte Menge davon könnte eine Erschütterung bewirken und die Preise ins Wanken bringen.« Wieder betrachtete er den Stein mit zweifelnder Miene. »Es ist unglaublich«, sagte er. »In meinem ganzen Leben habe ich keine fünf Steine von dieser Qualität gesehen. Und jetzt halte ich innerhalb von zwei Tagen gleich zwei davon in der Hand, als wären sie banale Glasmurmeln. Ist dieser Stein zu verkaufen?«
    »Nein. Eine andere Frage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann muß ein Hehler vor allem De Beers fürchten?«
    »Absolut. Aber Sie dürfen die Zollbehörden nicht unterschätzen, die über vorzügliche Spezialisten verfügen. Auf der ganzen Welt hat die Polizei ein wachsames Auge auf Diamanten, die ja sehr leicht zu verstecken sind.«
    »Was ist der Vorteil bei einem Privatgeschäft mit Diamanten?«
    »Derselbe wie bei jedem anderen Schmuggel: Umgehung der Steuern, der Gesetzgebung in den Förder- und den Abnehmerländern.«
    Es gab also ein engmaschiges Netz aus Hindernissen, dem Max Böhm dank einem System, das niemand sich vorstellen konnte, geschickt aus dem Weg gegangen war.

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