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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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zwischen exotischen Pflanzen ein Schwimmbecken lag. Ich zuckte die Achseln - in der Regenzeit war mir dieses viereckige türkisfarbene Becken nicht viel wert.
    Mein Zimmer war angenehm: geräumig und hell. Die Ausstattung war nichts Besonderes, man hätte sie überall auf der Welt antreffen können, aber die Farben der Möbel und Dekorationen - braun, ocker, weiß - schienen mir aus irgendeinem Grund typisch für Afrika. Die Klimaanlage summte, ich nahm eine Dusche und zog mich um und war bereit, meine Nachforschungen in Angriff zu nehmen. In einer Lade des Schreibtischs fand ich ein Telefonbuch der Zentralafrikanischen Republik - ein Heft mit kaum mehr als dreißig Seiten. Ich rief im Verwaltungssitz der Sicamine an.
    Ich sprach mit einem gewissen Jean-Claude Bonafe. Geschäftsführender Direktor. Ich erklärte ihm, ich sei Journalist und bereitete eine Reportage über die Pygmäen vor, und mir sei aufgefallen, daß manche der Minen sich auf dem Territorium der Aka-Pygmäen befänden. Ob er mir helfen könne, dorthin zu gelangen? In Afrika ist die Solidarität unter Weißen ein Wert, auf den man sich verlassen kann, und so bot Bonafe mir sofort an, mir einen Wagen zur Verfügung zu stellen, der mich bis zum Waldrand bringen werde, sowie einen ihm bekannten Führer. Aber er warnte mich auch: ich dürfe auf keinen Fall die Anlagen der Sicamine betreten. Der Generaldirektor Otto Kiefer habe sich vor Ort angesiedelt und sei >ein unbequemer Mann< ... In vertraulichem Ton fügte er hinzu: »Übrigens, wenn Kiefer erfährt, daß ich Ihnen geholfen habe, kriege ich verdammt viel Ärger .«
    Bonafe forderte mich auf, im Lauf des Vormittags in seinem Büro vorbeizukommen, um alle Einzelheiten zu klären. Ich dankte ihm und legte auf. Dann führte ich weitere Telefongespräche innerhalb der französischen Gemeinde. Es war Samstag, aber offenbar arbeitete hier jedermann an diesem Tag. Ich sprach mit Minendirektoren, mit Sägewerksleitern, mit Leuten von der französischen Botschaft. Diese entwurzelten, zermürbten, von den Tropen ausgebrannten Franzosen schienen froh, mit mir zu sprechen, und gaben bereitwillig Auskunft. Durch zielgerichtete Fragen konnte ich mir eine präzise Vorstellung von der Situation und ein vollständiges Bild von Otto Kiefer machen.
    Der Tscheche leitete vier Minen, verstreut im äußersten Süden von Zentralafrika, dort, wo der tropische Regenwald beginnt, der endlose äquatoriale Dschungel, der sich bis in den Kongo, nach Zaire und Gabun erstreckt. Kiefer arbeitete jetzt für den Staat. Wie mir alle versicherten, seien die Diamantenadern leider versiegt, und Zentralafrika fördere kaum noch Diamanten von großem Wert zutage, dennoch werde weiter geschürft - der Form halber. Ich persönlich hatte freilich eine andere Erklärung für das Ausbleiben wertvoller Steine.
    Hinsichtlich der Grausamkeit und Gewalttätigkeit Kiefers waren sich alle meine Gesprächspartner ausnahmslos einig. Er sei jetzt alt, um die Sechzig, aber gefährlicher denn je. Er habe sich mitten im Urwald niedergelassen, um seine Leute besser überwachen zu können - offensichtlich verdächtigte niemand Kiefer als Kopf eines großangelegten Diamantenschmuggels. In Wahrheit hielt er sich nur deshalb in der Finsternis des Dschungels auf, um bei seinen Machenschaften ungestört zu sein, die Rohdiamanten abzuzweigen und auf der Storchenroute seinem Kumpan Böhm zukommen zu lassen.
    Ich beschloß, Kiefer im tiefsten Wald zu überraschen, ihn je nach den Umständen zu stellen oder zu verfolgen, bis er sich auf die Suche nach den Störchen machte. Zwar war Böhm tot, aber ich war sicher, daß der Tscheche das Kuriersystem nicht aufgeben würde. Die Störche waren noch nicht in Zentralafrika angelangt. Ich hatte also etwa acht Tage Zeit, um Kiefer in den Minen zu erwischen. Es war elf Uhr. Ich zog meine Weste an und machte mich auf den Weg zu Bonafe.

30
     
    Der Verwaltungssitz der Sicamine befand sich im Süden der Stadt, und die Taxifahrt dorthin - über rötliche Straßen im Schatten riesenhafter Bäume - dauerte etwa fünfzehn Minuten. In Bangui konnte man mitten auf der Straße die Überreste eines echten Urwalds finden, durchzogen von breiten, blutroten Fahrrinnen, oder die Ruinen von Gebäuden, die von der Vegetation überwuchert und verschlungen wurden, wie von einer Herde Elefanten niedergetrampelt.
    Die Büroräume waren in einer Art hölzerner Ranch untergebracht; davor parkten etliche Geländewagen, vollgespritzt mit Laterit, der

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