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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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Rauch.Sie riecht nach dem Wein von gestern.
    »Du hast meine Hemmung aufgelöst«, sagt sie entschuldigend.
    Aber ich weiß nicht, wer von uns sich entschuldigen muß, als ich mit einem Übermut und einer Selbstsicherheit, die ich mir nicht erklären kann, zu ihr vordringe. Alle Schranken fallen. Sie greift ebenso nach mir. Wir stehen im Flur im ersten Stock. Und obwohl wir uns beide genieren, hindern wir einander nicht, weiterzumachen.
    »Nein«, sagt sie. »Nicht hier. Nicht so.«
    »Wir gehen in dein Zimmer«, sage ich.
    »Nein, wir gehen in Anjas Zimmer«, sagt sie.

    Es passiert in Anjas Bett. Ich öffne die wenigen Knöpfe ihres Nachthemds.
    »Du darfst mich nicht anschauen«, sagt sie.
    »Was willst du mir denn verbieten«, sage ich.
    »Nichts. Ich möchte dir alles geben, egal, wie sehr ich es später bereue. Aber gerade heute …«
    »Ja«, sage ich. »Gerade heute.«
    Es ist, als würden wir ein Siegel erbrechen, und obwohl wir es mit anderen schon oft gemacht haben, sind es jetzt wir zwei, die das Verbotene tun. Deshalb tun wir es mit der tiefsten Freude.

    »Du mußt vorsichtig sein mit mir«, sagt sie.
    »Sag mir, was ich tun soll.«
    »Nicht reden. Tu es einfach.«
    Sie weiß, daß ich mit ihrer Tochter geschlafen habe. Uns verbindet eine Gewißheit, wie ein Pakt. Eine andere Form des Paktes habe ich mit Selma Lynge. Ich merke, daß sie sich wegen ihres Körpers geniert. Bruchstücke ihrer Geschichte schießen mir durch den Kopf. Sie weiß so viel über Sexualität. Ihr ist bewußt, daß sie siebzehn Jahre älter istals der Junge, mit dem sie im Bett liegt. Sie hat sicher mehr Männer gehabt als nur Bror Skoog und den Nachbarsjungen. Und was wußte Bror Skoog? Hat sie das Gefühl, mit einem Jungen zu schlafen? Ich möchte aber kein Junge sein. Ich will ein Mann sein. Sie ist gefallen. Ich habe sie getragen. So einfache Symbole. Genügen sie mir, um mich stark zu fühlen? Was ist das für ein Übermut, der mich erfaßt hat. Ich genieße das Zusammensein mit ihr, lasse Gefühle zu, die zu zeigen ich immer Angst hatte. Mit Margrethe Irene, Anja Skoog und Rebecca Frost bin ich scheu und gehemmt gewesen. Habe ich mich geschämt. Mit Marianne Skoog empfinde ich keine Scham. Und obwohl sie sich wegen ihres Alters Sorgen macht, spüre ich, daß sie weiß, was sie wert ist, daß sie das vorher gemacht hat, viel öfter, als ich es eher flüchtig in meinem jungen Leben erfahren habe. Die Sexualität ist ihre Berufung geworden, der sie ihr Leben gewidmet hat. Hat sie oder hat Bror Skoog die gemeinsame Tochter aufgeklärt? denke ich. Anja hatte eine Erfahrung, deren Ursache mir ein Rätsel war. Marianne Skoog hat dieselbe Erfahrung. Ihr Gesicht ist geschwollen von Tränen und Schlaf. Sie will das vor mir verbergen, fühlt sich gewiß häßlich. Aber ich sauge jedes Detail auf, jedes Fältchen, jede Rauheit der Lippen, den Geruch ihres Atems.
    »Wie schön du bist«, flüstere ich ihr ins Ohr.
    »Sag so was nicht«, sagt sie und wendet sich ab.
    Sie krallt sich plötzlich in meinen Rücken und kommt ganz überraschend mit großer Gewalt, begleitet von einem kurzen und heftigen Weinen, das ganz anders ist als am Tag vorher, aber auch die Verzweiflung in sich hat. Ich verhalte mich still, während es passiert, und weiß nicht, was ich tun soll, ob ich es wagen kann, in ihr zu kommen, denn wir haben uns nicht geschützt.
    Die Tränen fließen, aber ich kann mich nicht zurückhalten. Als ich vorsichtig weiter in sie eindringen will, als siebegreift, was geschehen wird, ist sie auf einmal hellwach und flüstert: »Du mußt jetzt heraus aus mir!«
    Ich tue, was sie sagt, aber sie greift sofort nach mir, um es wiedergutzumachen. Sie besitzt mich, mehr als ich sie besitzen kann. Als genieße sie, daß ich so jung bin, so unkompliziert in meinem Begehren, mit so starken, hemmungslosen Trieben in dieser Phase meines Lebens. Sie spielt jetzt mit mir, obwohl es blutiger Ernst ist. Bald kann ich mich nicht mehr zurückhalten.
    »Komm nur«, sagt sie und kneift im selben Moment die Augen zu.

    Ihr Weinen hört nicht auf. Noch viele Minuten danach weint sie in meinen Armen. Ein stilles, erschöpftes Weinen. »Du brauchst jetzt nicht mehr zu weinen«, sage ich.
    »Bald höre ich auf damit«, sagt sie.
    Wie wenig Zeit ist erst vergangen seit dem Tod von Bror Skoog und Anja, denke ich. Etwas stimmt nicht, obwohl sich alles richtig anfühlt. Wie konnte das passieren nach all dem, was am Vortag geschah?
    Sie liest meine Gedanken.
    »Du

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