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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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blieb noch eine ganze Weile vor ihr und warf, als Marlene näher kam, einen winzigen Lichthof, der den Eindruck erweckte, als dehne es sich aus. Fast wie die Ladeleuchte der elektrischen Zahnbürste. Wenn sie im Dunkeln ins Bad ging, tauchte das winzige Lämpchen noch die Dose mit den Wattepads in einen fahlgrünen Schimmer.
    Genauso wie die Zahnbürste sich nicht vom Fleck bewegte, blieb das Glimmen an derselben Stelle. Und die lag entschieden höher über dem Untergrund, als ein aufrecht stehender Mann eine Kamera gehalten hätte. Im Näherkommen fiel ihr das auf. Da bemerkte sie auch noch einmal ganz kurz die kreisförmig angeordneten roten Nadelstiche – so weit entfernt von dem grünen Licht, dass beides unmöglich zusammen an ein Gerät gehören konnte.
    Die Musik wurde ebenso lauter wie das Plätschern. Sie steckte den scharfkantigen Stein zum Schlüsselband in die Jackentasche und wechselte den Kunstlederbeutel von der linken auf die rechte Hand. Sie war Rechtshänderin, so wischte es sich noch besser, vor allem schneller.
    Als es immer steiler bergab ging, verschwand das grüne Leuchten seitlich aus ihrem Blickfeld. Mariannes unermüdlicheStimme wurde schwächer. Kurz darauf übertönte das Plätschern die Musik bereits völlig. Und noch ein paar Meter weiter war es kein Plätschern mehr, sondern fast schon ein Tosen.
    Der Boden fühlte sich nicht mehr staubig, sondern glitschig an, und die Luft war feucht. Ein feiner Sprühregen benetzte ihr Gesicht. Sie musste unmittelbar am Wasser sein.
    Dann ging alles rasend schnell. Die Hand in dem Kunstlederbeutel rutschte ab und stieß ins Leere. Der rechte Arm schrammte über eine Felskante, die sich schmerzhaft in ihre Achselhöhle bohrte und ihr die rechte Brust quetschte. Zum Glück hatte sie die linke Hand frei, ruderte damit Halt suchend herum, bekam etwas wie eine dünne Stange zu fassen und fing so den Sturz mit knapper Not ab.
    Das war zu viel! Sie konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, weinte haltlos – vor Schreck und Wut, nicht aus Angst. Sie keuchte und fluchte gleichzeitig, beschimpfte ihn mit Ausdrücken, die ihr alle viel zu harmlos schienen. «Du verfluchter Arsch! Du elender Drecksack! Du miese Sau!» Streifte dabei den Beutel von der rechten Hand, hielt sich mit links die gestauchte Achselhöhle und rieb mit der Rechten über die geprellte Brust. Es tat höllisch weh. Und das war nicht einmal das Schlimmste.
    Viel schlimmer war, zu begreifen, dass sie nun unmittelbar am Wasser kniete und es doch nicht erreichen konnte. «Du verdammter Hund», stieß sie zwischen zwei Schluchzern hervor. «Du verfluchtes Schwein! Was soll diese Scheiße?»
    Der Sprühregen begann auf ihrer Haut zu perlen. Sie leckte zwei Tröpfchen von der Oberlippe, wischte sich über die feuchten Wangen. Aber die Finger leckte sie dann doch nicht ab, die waren so dreckig, dass sie die Kruste deutlich spürte.
    Obwohl kaum anzunehmen war, dass er sie bei dem Getöse hörte, selbst wenn er in der Nähe gewesen wäre, weinte, fluchte und schimpfte sie weiter. Krächzte sich mit rauer, ausgedörrterKehle so lange den Schrecken und den Frust von der Seele, bis ihr die Kraft dafür ausging und sie sich zwangsläufig beruhigte.
    Dann kroch sie ein Stück von der gefährlichen Kante zurück, um sich das Ganze mal bei Licht anzuschauen.
    «Lass mich jetzt bloß nicht im Stich», murmelte sie, als sie das Zündholzbriefchen aus der Jackentasche zog. Sie drehte dem immer noch spürbaren Sprühregen den Rücken zu, riss einen Pappstreifen ab, drückte das Köpfchen mit einer Fingerspitze auf die Reibefläche und zog schnell durch.
    Es brannte! Nach nur einem Versuch brannte es! Man musste auch mal Glück haben! Sie kniff kurz die geblendeten Augen zusammen, schützte die Flamme mit einer Hand, drehte sich langsam um, sah die hauchfeinen Wassertröpfchen glitzern und spürte die Luftbewegungen, die das herabprasselnde Wasser verursachte. Das Flämmchen flackerte unruhig, ließ aber genug erkennen.
    Sie befand sich in einer Art Grotte, kniete etwa einen Meter vom Rand eines großen, steinernen Kessels entfernt. Wie tief der war, ließ sich nicht schätzen. Entschieden weiter als eine Armlänge von der glitschigen Kante entfernt, schoss das Wasser in vier oder fünf Metern über Bodenniveau aus mehreren Rinnen und fiel in Kaskaden in die Tiefe.
    Die Kante war wohl früher gesichert gewesen. Rechts und links waren dicke Ösen in den Stein geschlagen. Der Stab, an dem sie ihren Sturz

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