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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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Abtauchen eines Erwachsenen, der sich vorher schon regelmäßig vierwöchige Auszeiten genehmigt hatte.
    Doch im Gegensatz zum Donnerstagabend, als sie Marlene kühl und beherrscht, haushoch über den Dingen stehend, entgegengetreten war, wirkte Ulla an dem Samstag klein und bedrückt. Sie vermied es nach Möglichkeit, über ihren Sohn zu sprechen. Auf Annettes Frage: «Wie geht es Thomas?», antwortete sie nur knapp: «Den Umständen entsprechend.»
    Zu Marlene sagte sie in einem unbelauschten Moment vor Karolas Badezimmer: «Wenn ich mir schon mal einbilde, es geht aufwärts. Ich hätte es letzten Samstag nicht beschreien dürfen.»
    «Das hast du doch gar nicht», antwortete Marlene und nutzte die Gelegenheit, um ihr den Kauf eines kleinen Autos anzubieten. In einem Aufwasch brachte sie Werners Fragen nach Andreas vor – ohne Werner zu erwähnen.
    «Das ist nicht dein Ernst», kommentierte Ulla das Angebot. Sie begann zu weinen, fasste sich jedoch schnell wieder und sagte: «Ich nehme dich beim Wort, verlass dich darauf. Sobald ich ein bisschen Luft habe, ziehen wir beide los und kaufen ein ganz kleines, hässliches Auto, in das Männer sich nicht reinsetzen mögen. Ich suche aus, du bezahlst.»
    Dass Andreas ebenfalls finanzielle Unterstützung brauchte, glaubte Ulla nicht. «Er hatte eine dicke Geldrolle bei sich und bestand darauf, den Pizzaboten zu bezahlen», erzählte sie. «Er gab mir fünfzig Euro. Kleiner hatte er es nicht. Der Bote konnte nicht herausgeben, also hab ich es doch übernommen.»
    Anschließend hatte sie Andreas den Fünfziger zurückgeben wollen und gesagt, sie könne es sich noch leisten, einen Freund zu einer Pizza einzuladen. Daraufhin hatte er ihre Finger um den Schein gedrückt und vorgeschlagen, sie solle Meike etwas Schönes davon kaufen.
    Ob er sich wieder in heimatliche Gefilde begeben hatte, weil er krank war, konnte Ulla nicht sagen. Kerngesund hatte er nicht ausgesehen und von der Pizza kaum etwas gegessen. Über irgendwelche Beschwerden geklagt hatte er jedoch auch nicht. Aber das bedeutete nichts.
    «Wahrscheinlich war ihm sein Motorrad wichtiger als irgendein Wehwehchen», meinte Ulla. «Ein Jammerlappen war er nie. Weißt du noch, wie er sich das rechte Bein verbrannt hat?»
    Ja, daran erinnerte Marlene sich gut. Das war ein Samstagabend im Sommer vor fünf Jahren gewesen. Statt Chili gab es Würstchen, Bauchfleisch und Nackensteaks vom Grill, dazu Baguette mit Kräuterbutter und diverse Salate. Annette hatte einen Kartoffelsalat mitgebracht, weil ihr Nimmersatt sonst garantiert wieder gemeckert hätte, er sei kein Hase, von Grünzeug und Möhrchen würde er nicht satt.
    Dann stand Christoph mit einem Berg Kartoffelsalat auf seinem Pappteller neben dem Grill und wartete auf das erste Nackensteak. Zwei Würstchen und zwei Scheiben Bauchfleisch hatte er sich schon einverleibt. Weil es ihm zu lange dauerte, wollte er Andreas die Grillzange aus der Hand nehmen.
    «Gib mal her das Ding, das Fleisch ist doch längst durch», hörte Marlene ihn sagen.
    Es kam zu einer kleinen Rangelei um die Zange, wobei Andreas aus Versehen gegen ein Standbein des Grills trat. Der kippte um. Andreas trug Shorts und Sandalen und sprang nicht schnell genug zur Seite.
    «Und dienstags war er schon wieder in der Firma», sagte Ulla. «Dabei war er die ganze Woche krankgeschrieben. Er humpelte, hatte wahrscheinlich starke Schmerzen. Zweimal hab ich gesehen, wie er Tabletten nahm. Aber gesagt hat er nichts.»
    Persönlich fragen, ob ihm jetzt etwas wehtat, konnte man Andreas nicht mehr. Er war mit der Reparatur seiner Maschine in der Nacht zum Freitag fertig geworden. Bei dem Motorrad hatte es sich übrigens um eine Suzuki gehandelt und nicht um eine Harley – wie Herr König eine gesehen zu haben meinte. Das erfuhr Marlene nebenbei. Jedenfalls war Andreas schon weg gewesen, als Ulla am vergangenen Morgen in die Firma gekommen war.
    Sie war eigens um sechs los, um ihn notfalls aus der Werkhalle zu werfen oder zu wecken, damit keiner von den Arbeitern über ihn stolperte und Herr Scheidweber ihn nicht aufder Besuchercouch in der Verwaltung überraschte. Unterwegs hatte Ulla noch zwei belegte Brötchen gekauft und dann alleine essen dürfen. Den Büroschlüssel hatte er unter den Fußabtreter gelegt und ihr ein Schokoherzchen als Dankeschön auf den Schreibtisch gelegt.
    «Schade», sagte Marlene und meinte es auch so. Sie hätte Andreas ebenfalls gerne wiedergesehen.

Nummer neun
    Das grüne Glimmen

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