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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auf die nächste Pause, machte sich bereit, die Ohren zu spitzen. Hieß es nicht, dass Blinde ein erheblich besseres Gehör hatten als Sehende? Sie war doch wie blind.
    Umso größer war ihre Enttäuschung, als die letzten Takte verklangen und sie angestrengt in die Dunkelheit horchte. Sie hörte etwas, aber es gluckerte und gluckste nicht, von Plätschern ganz zu schweigen. Jetzt rauschte es bloß schwach.
    War es vielleicht nur Bandrauschen? So wie bei der Lesung in
Annettes Bücherstube
. War das Plätschern Einbildung gewesen? Wunschdenken, das sich in ihrem benommenen Hirn wie eine Tatsache breitgemacht hatte? Wo sollte denn hier einBach fließen? Den Graben, den sie zweimal überwunden hatte, konnte sie als Wasserlauf ausschließen. Wäre darin etwas geflossen, hätte sie es hören müssen, vermutlich auch gespürt oder gerochen haben. In der staubtrockenen Luft hier unten müsste Wasser zu riechen sein, meinte sie.
    Zum ersten Mal dachte sie bewusst «unten». Unter der Erde. Es war bestimmt kein schwarzes Loch im All. Es musste eine Höhle sein, genauer gesagt ein großer Raum in einer Höhle. Stillgelegte Bergwerke gab es in der Region nicht. Wohingegen es in der Eifel und im Bergischen Land Dutzende Höhlen gab.
    Karolas Abenteurer hatte sich vor Jahren während einer vierwöchigen Auszeit mal einer Gruppe von Leuten angeschlossen, die Höhlen in Südamerika erforscht hatten. Nach seiner Rückkehr hatte er wochenlang von der traumhaft schönen «Gruta da Lapinha» in Brasilien geschwärmt, woraufhin Werner auf heimatliche Gefilde verwiesen hatte.
    «Das kannst du nicht vergleichen», hatte Andreas gesagt und wortreich geschildert, wo er in Brasilien herumgestreunt war. 511   Meter tief unter der Erde, in elf verschiedene Salons unterteilt, die durchschnittliche Breite der Gänge läge bei vierzig Metern.
    Und das war nicht die einzige Höhle, in der Andreas sich umgetan hatte. Die Einstiege seien oft unscheinbare Löcher, hatte er erzählt. Bei manchen müsse man sich noch ein Stück weit durch eine enge Röhre zwängen oder metertief abseilen. Aber wenn man erst eine gewisse Tiefe erreicht hätte   …
    Da gäbe es von Rissen und Spalten durchzogene Hallen und Kathedralen, in denen Felsnadeln aus dem Boden ragten und von der Decke hingen. Von Stalaktiten und Stalagmiten hatte er gesprochen. Manchmal müsse man sich durch Kriechgänge schlängeln, manchmal durch enge Spalte quetschen. Aber im Großen und Ganzen sei es geräumig unter der Erde, weitläufig und
irre spannend
.

14.   Januar 2010 – Donnerstagvormittag
    Marlene schaltete den Motor aus. No Mercy verstummte wie abgewürgt. Sie blieb noch ein paar Sekunden sitzen, um sich für ihre Aussage zu sammeln. Aber was konnte sie schon großartig erzählen? Sie konnte nur bestätigen, was Karola dem Pressesprecher der Polizei vermutlich schon fünfzigmal erklärt hatte. Hoffentlich hielt der es dann nicht für eine Absprache.
    Das Gebäude, in dem der Lokalsender untergebracht war, kannte sie bereits von außen. Vor gut einem Jahr hatte Karola sie um den Freundschaftsdienst einer Fahrt gebeten, weil der alte Escort dringend zur Reparatur musste. Es waren dann insgesamt acht Fahrten geworden, zweimal hin und zurück für sie an den Vormittagen. Die abendlichen und nächtlichen Touren hatte Werner übernommen und dafür eigens seine Termine umgestellt. Sie nachts allein über eine einsame Landstraße fahren zu lassen sei ihm nicht geheuer, hatte er gesagt. Und über Karola lachte er, wenn sie die Gefahren dieser Straße ins Feld führte.
    In die Räume des Senders begleitet hatte sie Karola vor einem Jahr nicht. Nun wunderte sie sich. Sie klingelte, ein elektrischer Türöffner summte, und schon war sie drin. Einfach so. Es fragte nicht einmal jemand, wer sie war und was sie wollte.
    Sie betrat einen langen Flur, auf den mehrere Türen mündeten. Eine stand offen, dahinter befand sich eine winzige Küche mit einem Hängeschrank, einer Spüle, einer Mikrowelle und einer Kaffeemaschine. An der Maschine füllte ein junger Mann mit Glatze einen Becher mit Kaffee. Sein kahler Schädel glänzte, als wäre er lackiert.
    «Hallo», grüßte Marlene. «Frau Jäger hat mich vor einer halben Stunde angerufen. Ich bin   …»
    Ehe sie ihren Namen aussprechen konnte, zeigte der Glatzkopf wortlos den Flur entlang. Der mündete in einen großenRaum mit durchgezogener Fensterfront und etlichen Schreibtischen. Jeder war mit einem Flatscreen-Monitor bestückt. Es wirkte

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