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Der Frauenjäger

Der Frauenjäger

Titel: Der Frauenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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alles sehr hell und modern. Eine große Wanduhr zeigte vier Minuten vor neun und machte Marlene klar, dass sie die Strecke in Rekordzeit bewältigt hatte. Werner erzählte sie das lieber nicht.
    Karola stand an einem der vorderen Tische und unterhielt sich mit einem sympathisch aussehenden Mann Ende dreißig, der im Begriff stand zu gehen. Bernd Meisen, Marlene erkannte ihn an der Stimme. Karola hob eine Hand, um ihr zu bedeuten, sie solle sich noch einen Augenblick gedulden.
    Rein äußerlich war es exakt die Karola, die Marlene seit Jahren kannte. Das runde Gesicht mit dem Doppelkinn, das sie zu kaschieren suchte, indem sie den Hals reckte und den Kopf möglichst hoch trug, was ihr den Anschein von Arroganz verlieh. Das stets einen Ton zu dunkel gefärbte Haar – der letzte Rest Cleo an ihr wie der kirschrote Lippenstift, der nur die Lippenränder bedeckte, die restliche Farbe klebte immer an irgendeiner Kaffeetasse.
    Der weitgeschnittene Rock mogelte zwar ein wenig vom Hüftspeck und der Bauchrolle weg. Über dem Bund wölbte sich jedoch ein Wulst, den die weiße Bluse nur unzulänglich kaschierte. Karola trug seit ihrem vierzigsten Geburtstag nur noch Röcke und Blusen. In dieser Umgebung wirkte sie großmütterlich.
    Ihre weiße Bluse hatte über der rechten Brust einen großen braunen Fleck. Am vergangenen Abend hätte Marlene bei diesem Anblick noch gesagt: «Du hast dich mit Kaffee bekleckert.» Es musste Kaffee sein. Karola trank ihn literweise. Ein Wunder, dass sie nicht ständig aufs Klo rannte. Ihre Blase musste dasselbe Fassungsvermögen haben wie die eines Nilpferds. Aber normalerweise bekleckerte Karola sich nicht mit Kaffee.
    Normalerweise
war vorbei. Der Fleck machte ihr Karola fremd. Er erzählte von Schreck, Betroffenheit und Erschütterung. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, dass Karola eine gefüllte Tasse in der Hand gehalten und zum Mund geführt hatte, als sie erfuhr, wessen Wagen in der Nacht bei der Kiesgrube einen abgestellten Laster gestreift und sich dreimal überschlagen hatte.
    Der Glatzkopf kam mit dem Kaffeebecher herein, stellte ihn vor Karola ab, setzte sich an den Schreibtisch, an dem sie sich noch mit Bernd Meisen unterhielt, und hörte dem Gespräch zu.
    Von den anderen Tischen war einer besetzt mit einer Blondine Mitte zwanzig, die im Gesicht an drei Stellen gepierct war, Oberlippe, rechte Augenbraue und linker Nasenflügel. Sie hielt einen Telefonhörer am Ohr, sprach jedoch nicht, lauschte auch nicht. Dem Anschein nach hing sie in irgendeiner Warteschleife und langweilte sich. Die Finger der freien Hand trommelten einen Takt neben die Computertastatur.
    Am dritten Schreibtisch saß ein langhaariger Mann, der kaum älter sein konnte als die gepiercte Blondine. Von ihm sah Marlene nicht viel mehr als Schultern, Arme und den Scheitel. Eine Hälfte seiner Mähne war wie ein Regenbogen gefärbt oder gesprüht. Blaue, rote, grüne und lila Strähnen zogen sich vom Scheitel über die gesamte rechte Kopfseite.
    Der Mann hatte beide Ellbogen auf die Tischplatte gestützt und die Hände so um den Kopf gelegt, als hielte er sich die Ohren zu. Dabei war sein Gesicht so tief über ein Exemplar von
Monas Tagebuch
gebeugt, dass seine bunten Haarsträhnen die Tischplatte berührten.
    Seitlich an dem Schreibtisch saß noch ein zweiter Mann, der wie Karola deplatziert wirkte. Er war Ende vierzig, athletisch gebaut und mit einer Polizeiuniform bekleidet. Auch er las
Monas Tagebuch
. Es verschwand fast in seinen großen Händen.
    Der Regenbogenmann schaute nicht einmal auf, als Marlene zögernd näher kam. Vermutlich hörte er mit den zugehaltenen Ohren nichts. Der Uniformierte hob auch nur kurz den Kopf und schnüffelte – irritiert von der Duftwolke, die sie umgab. Für zwei Sekunden brachte er ein neutrales Lächeln zustande und vertiefte sich sofort wieder in seine Lektüre.
    Die gepiercte Blondine lächelte Marlene flüchtig zu, stellte das Trommeln mit den Fingern ein und sagte: «Klar bin ich noch da.» Sie horchte sekundenlang aufmerksam in den Hörer, ehe sie sich bedankte: «Du bist ein Schatz, Bärbel, hast was gut bei mir. Natürlich halten wir uns an die Spielregeln. Was denkst du denn?»
    Bernd Meisen verabschiedete sich. Karola wandte sich an den Uniformierten. Der erhob sich, als Karola ihn ansprach. Es war Manfred Kolber. Aber er wollte keine Aussage von Marlene, er wollte gar nichts. Nur Karola wollte. Und nachdem Bernd Meisen gegangen war, war sie in diesem hellen,

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