Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast
sie sofort tot gewesen wäre.
Oder war es andersherum gewesen? Hätte sie auf der Stelle sterben sollen, und war Marius mit der Art der Messerstiche etwas schief gegangen? Denn immerhin hätte es Greta auch gelingen können, Hilfe herbeizutelefonieren und eine Aussage zu machen. Hatte Marius nur insofern Glück gehabt, als Greta schließlich nichts mehr hatte sagen können?
Fragen über Fragen. Wer weiß schon, was im Gehirn eines solchen Typen vor sich geht, dachte Kronborg.
Er erschrak fast, als sich plötzlich eine Frauenstimme meldete, etwas hektisch und atemlos. »Ja?«
Er war so perplex, dass es ein paar Sekunden dauerte, ehe er sich gefangen hatte.
»Wer ist denn da?«, wiederholte die Stimme ärgerlich.
Er war wütend auf sich selbst. Jetzt hatte er eine ohnehin heikle Frage zu stellen, die Ingas Familie erheblich in Schrecken versetzen würde, und der Umstand, dass er zu einer völlig unmöglichen Uhrzeit anrief, machte die Angelegenheit noch dramatischer und beunruhigender.
»Kronborg. Spreche ich mit Frau Hagenau?«
»Ja.«
»Verzeihen Sie, dass ich so spät noch störe. Kriminalkommissar Kronborg. Wir haben eine Frage, Ihre Tochter Inga betreffend.«
Jetzt war seine Gesprächspartnerin natürlich alarmiert. »Um Gottes willen! Ist etwas passiert?«
»Machen Sie sich keine Gedanken. Wir suchen den Ehemann Ihrer Tochter. Es hat einen Unglücksfall in seiner Familie gegeben, und wir müssen deshalb dringend Kontakt mit ihm aufnehmen.«
»Aber meiner Tochter ist nichts passiert?«
»Nein. Wirklich, regen Sie sich nicht auf.«
»Aber wieso sucht die Kriminalpolizei nach meinem Schwiegersohn? Da stimmt doch etwas nicht!«
»Frau Hagenau, es besteht für Sie wirklich kein Grund zur Unruhe. In der Verwandtschaft Ihres Schwiegersohns hat sich ein Verbrechen ereignet. Wir müssen ihn verständigen, und wir hoffen darüber hinaus, dass er einige unserer Fragen beantworten kann.«
»Steht er in einem Zusammenhang mit dem Verbrechen?«
Kronborg hakte sogleich ein. »Warum fragen Sie das?«
»Weil … ich weiß auch nicht. Um Gottes willen, besteht eine Gefahr für meine Tochter?«
»Nein.« Es hatte keinen Sinn, dieser aufgeregten Mutter zu diesem Zeitpunkt bereits zu erklären, dass ihre Tochter möglicherweise mit einem geistesgestörten Killer verheiratet war. »Wirklich, machen Sie sich keine Sorgen. Es ist nur so, dass Ihr Schwiegersohn im Augenblick der einzige Verwandte der Opfer ist, den wir kennen, und deshalb brauchen wir ihn dringend für ein Gespräch.«
»Um diese Zeit würden Sie bei mir nicht anrufen, wenn nicht etwas Dramatisches geschehen wäre!«
Er beschloss, in diesem Punkt einfach mit offenen Karten zu spielen. »Ein Kollege von mir hat es den Tag über ein
paarmal bei Ihnen versucht, jedoch niemanden erreicht. Ich mache heute wieder mal ein paar Überstunden, wollte gerade nach Hause gehen und dachte, ich versuche es vorher noch einmal bei Ihnen. Offen gestanden war ich ziemlich sicher, dass sowieso niemand da ist, sonst hätte ich mich nicht zu dieser unmöglichen Zeit gemeldet.«
Sie schien ein klein wenig ruhiger zu werden. »Wir waren acht Tage in Dänemark. Mein Mann und ich. Wir sind heute Abend erst zurückgekehrt.«
»Wir dachten uns schon, dass Sie Ferien machen. Sagen Sie, haben Sie vorher noch mit Ihrer Tochter gesprochen? Hat sie Ihnen gesagt, wohin sie zusammen mit ihrem Mann verreisen wollte?«
»Ja, wir haben telefoniert.« Ingas Mutter hatte sich so weit gefasst, dass sie normal sprechen konnte, aber Kronborg spürte, wie erregt sie war.
»Wie üblich war das Ziel ihrer Reise etwas unklar. Marius – mein Schwiegersohn – hatte es sich in den Kopf gesetzt, mit Zelt und Rucksack irgendwohin in den Süden zu trampen. Inga war nicht besonders begeistert. Sie sah sich schon an den Autobahnrändern stehen und verzweifelt auf Mitfahrgelegenheiten hoffen, und auf überfüllte Campingplätze am Mittelmeer hatte sie auch keine Lust. Aber – in dieser Ehe geschah, was Marius wollte.«
Bei dem letzten Satz klang Verbitterung in ihrer Stimme. Kronborg begriff, dass Marius Peters keineswegs ein willkommener Schwiegersohn in der Familie Hagenau gewesen war.
»Sie hat das Ziel Süden nicht näher definiert?«, fragte er. In seinem Gehirn hatte eine Glocke angeschlagen. Sabrina Baldini hatte ausgesagt, Rebecca Brandt habe sich nach dem Tod ihres Mannes nach Südfrankreich zurückgezogen.
Sie hatten dort ein Ferienhaus. Wo genau, das weiß ich
auch nicht. Jedenfalls
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