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Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast

Titel: Der fremde Gast - Link, C: Der fremde Gast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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ihr gesagt, und auch seine Stimme hatte weit weg geklungen, »es war ihm bestimmt, zu dieser Zeit und auf diese Weise zu sterben, und irgendwann wird es eine Antwort auf Ihr verzweifeltes Warum? geben.«
    Scheiß drauf, hatte sie gedacht und sich abgewendet.
    Die Papiertüte mit den Einkäufen fest an sich gedrückt, drängte sie durch die Menge, entschlossen, so bald wie möglich von hier fort und in den Frieden ihres Hauses zu gelangen. Als jemand ihren Arm ergriff, versuchte sie sich im ersten Moment ohne hinzusehen loszureißen, aber dann sagte eine vertraute Stimme: »Madame!«, und sie hob den Blick und schaute in das tief gebräunte Gesicht von Albert, dem Hafenmeister.
    Er und Felix waren so etwas wie Freunde gewesen, getrennt durch Bildung und Erziehung, vereint jedoch auf der Ebene ihrer beider leidenschaftlichen Liebe zum Segeln und zu allem, was mit Wasser und Schiffen zu tun hatte. Sie hatten stundenlang zusammensitzen und über vergangene Segelabenteuer reden können, und dazu hatten sie Pastis getrunken, den Rebecca nicht mochte. Sie hatte an solchen Treffen selten teilgenommen. Sie selber konnte nicht segeln und daher nichts zu der Unterhaltung beitragen, und sie hatte den Eindruck, dass ihre Anwesenheit die beiden Männer in ihrem wilden Aufschneiden lähmte. Also zog sie sich zurück. Felix sollte seinen Spaß haben.
    »Madame, wie schön, Sie wieder einmal zu sehen!«, sagte Albert und strahlte. Er sprach ein von starkem provenzalischem Dialekt gefärbtes Französisch, und Rebecca hatte wie immer Mühe, ihn zu verstehen.

    »Wie geht es Ihnen, Madame? Ich wusste gar nicht, dass Sie den Sommer hier verbringen!«
    Rebecca hatte nicht vor, ihm zu erklären, dass sie seit einem dreiviertel Jahr nur noch hier lebte, dass das Haus in Deutschland verkauft war und sie keine Absicht hatte, dorthin zurückzukehren. Sie wollte nicht, dass er anfing, sie zu besuchen und die Freundschaft zu Felix auf sie zu übertragen.
    »Ich muss nach dem Rechten sehen«, sagte sie ausweichend, »sonst verwildert das Grundstück, und auch im Haus … muss einiges gemacht werden.«
    »Wenn Sie Hilfe brauchen …«
    »Ich komme zurecht, danke.« Sie merkte, wie abweisend sie klang, und fügte hinzu: »Das ist wirklich lieb von Ihnen, Albert. Ich wende mich an Sie, wenn ein Problem auftritt.«
    Albert seufzte. »Ich hab ihn so gern gehabt, den Monsieur Brandt. War ein feiner Kerl. Und vom Segeln hat er wirklich eine Menge verstanden. War schon großartig.«
    »Ja«, sagte Rebecca steif, und dann breitete sich ein verlegenes Schweigen zwischen ihnen aus, während ringsum das Strandleben unvermindert laut und lebhaft tobte.
    »Was wird denn nun mit der Libelle ?«, fragte Albert nach einer Weile. »Ich meine, ich versorge sie natürlich weiter, aber es ist schon ein bisschen schade, dass keiner mehr mit ihr segelt. So ein hübsches Schiff! Und Sie zahlen ja auch ganz ordentlich Gebühren für den Liegeplatz, und …«
    »Ist da irgendetwas nicht korrekt gelaufen?«, fragte Rebecca.
    Albert hob abwehrend beide Hände. »Gott bewahre, nein! Ich meine nur … es geht mir um das Schiff. Monsieur Brandt hat es so sehr geliebt. Manchmal denke ich …« Er sprach nicht weiter.
    »Ja?«
    »Manchmal denke ich, es wäre ihm vielleicht nicht recht,
dass die Libelle jetzt nur im Hafen herumdümpelt. Ein Schiff wie sie muss unter vollen Segeln über die Wellen gleiten, den Wind fühlen, die Gischt, das Salz … So wie jetzt verkümmert sie.«
    Felix hatte von der Libelle ebenfalls immer wie von einem lebendigen Geschöpf gesprochen, daher war auch Alberts Diktion Rebecca nicht fremd. Sie lächelte ein wenig hilflos. »Ich kann nicht segeln. Ich habe nie einen Schein gemacht.«
    »Aber das könnten Sie doch nachholen.«
    Es war wirklich ein Witz. Dieser ganze Tag war einfach absurd. Jetzt wurde ihr auch noch vorgeschlagen, einen Segelschein zu machen.
    Sie wäre jetzt eigentlich tot!
    Als ob das Leben plötzlich noch einmal alle Geschütze auffahren wollte. Sie von ihrem Plan abbringen wollte. Sich wichtig und interessant und viel versprechend zu machen versuchte. Es würde allerdings bei ihr nicht funktionieren. Was das Leben betraf, war sie nicht mehr zu korrumpieren.
    »Ich werde sehen«, meinte sie ausweichend.
    »Ich könnte Ihnen auch helfen, falls Sie die Libelle verkaufen wollen«, bot Albert an. »Ich würde dafür sorgen, dass sie einen guten Platz bekommt. Bei jemandem, der sie zu schätzen weiß.«
    » Ich muss über all das

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