Der fremde Sohn (German Edition)
auf der Bank sitzen geblieben. Dayna wischte so viel wie möglich von der Masse am Boden auf und spülte den Lappen aus. Wieder und wieder. Sie hatte das Gefühl, dass sie diese Arbeit – oder was immer die Mutter ihr auftrug – die ganze Nacht hindurch hätte tun können.
Nichts war mehr von Bedeutung. Sie hatte Max. Und sie hatten Sex gehabt. Sie war eine Frau.
Sie hatte ihm sagen wollen, dass sie ihn liebte, doch irgendwie hatte sie die Worte nicht über die Lippen gebracht.
Februar 2009
B rody blieb stehen und schnupperte. Putzmittel. Er schlug die Tür zu und ließ die Tasche von der Schulter rutschen.
»Hör auf damit!«, donnerte er. »Was fällt dir eigentlich ein?« Vor seinem inneren Auge sah er den kleinen Max, wie er auf einem Hocker vor dem Spülbecken stand, mit Gummihandschuhen, die ihm bis zu den Ellenbogen reichten, und inmitten einer Wolke aus Seifenschaum mit einer Topfbürste hantierte. Brody konnte sich seinen Sohn beim besten Willen nicht als fast erwachsenen Mann vorstellen. Für ihn war er immer noch das kleine Kind, das in einem Becken mit warmer Seifenlauge herumplanschte.
»Es ist schon wieder alles verdreckt, Dad. So kannst du nicht leben.«
»Das werden wir ja sehen.« Brody tastete auf der Arbeitsplatte nach einem Glas. »Was zum Teufel hast du mit meinen Sachen angestellt?«
»Gespült und weggeräumt.« Max ließ das Wasser ab und schrubbte das Abtropfbrett. »Lass dich nicht so gehen, Dad. Es ist doch schon Jahre her.«
Brody wollte nichts davon hören. »Schließlich lebe ich noch, oder nicht? Und ich komme gut zurecht.« Wenn er gewusst hätte, wo die Sachen standen, hätte er alles mit einer Handbewegung heruntergefegt, nur um Max zu zeigen, wie wenig ihm daran lag. »Als deine Mutter und ich noch zusammen waren, hat sie auch immer davon angefangen –«
»Mum hat über Hausarbeit gesprochen?« Max trocknete sich lachend die Hände ab. »Ich habe noch nie gesehen, dass sie auch nur einen Handschlag im Haushalt getan hat. Dafür hat sie Martha und ungefähr hundert Putzfrauen, die jede Woche antreten.«
»Ich weiß, mein Sohn. Ich kenne doch deine Mutter.« Brody lehnte sich seufzend an die Wand.
»Aber du hast sie seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Stimmt.« Brody wollte nicht zugeben, dass er Aufzeichnungen von Carries Show auf dem Computer abspielte, wieder und wieder, um ihre Stimme zu hören. Dann dachte er immer an früher und daran, wie sich sein Leben verändert hatte. »Sie ist nicht glücklich, nicht wahr?« Brody tastete nach dem Gesicht seines Sohnes und fühlte, wie der zusammenzuckte, als er die Hand auf seinen Wangenknochen, auf Stirn und Haar spürte.
»Du bist ein gutaussehender Junge, Max. Ich bin stolz auf dich.«
Max wich zurück. »Ich … ich weiß nicht, ob sie glücklich ist. Wir reden nicht viel miteinander.«
»Und du?« Brody hörte ein Rascheln, als zuckte sein Sohn mit den Schultern.
»Was? Ob ich glücklich bin?«
Max wollte offensichtlich Zeit schinden. Brody wartete und hoffte, jetzt käme das Thema zur Sprache, über das er schon lange mit Max hatte reden wollen.
»Ich weiß nicht. Ja, ich denke schon«, sagte sein Sohn mit ausdrucksloser Stimme.
»Wie geht’s deiner Freundin?« Brody ließ nicht locker.
»Ich habe keine Freundin. Das hab ich dir doch gesagt.«
»Dann benutzen alle Frauen, die du hierher mitbringst, das gleiche Parfum.«
»Ich bringe keine Frauen hierher.« Max schlug die Schranktür zu.
Wieder streckte Brody die Hand nach seinem Sohn aus. »Warum willst du nicht mit mir reden, Max? Warum kommt es mir so vor, als stünde etwas zwischen uns?«
»Es liegt nicht an dir, es liegt an mir«, erwiderte Max, entzog sich dem Griff seines Vaters und ging ins Wohnzimmer. Als Brody dem Klang seiner Schritte folgte, hörte er ihn sagen: »Es ist nur … na ja, alles eben.«
Der altersschwache Sessel quietschte, als Max sich hineinfallen ließ.
»Ich bin eben ein Freak, und alles ist ein einziges Chaos und –«
»Hat sie dich verlassen?«
In der kurzen Stille, die darauf folgte, hörte man draußen auf dem Laubengang ein paar Kinder spielen.
»Nein«, erwiderte Max schließlich entrüstet.
»Trifft sie sich mit einem anderen?«
»Ach, halt doch den Mund.«
»Aber es geht um ein Mädchen, nicht wahr?« Brody deutete Max’ Schweigen als Zustimmung. »Weißt du, als ich damals mit deiner Mutter zusammen war, habe ich mich die meiste Zeit so gefühlt. Am liebsten hätte ich mir einen Strick
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