Der fremde Sohn (German Edition)
Studiogästen ihrer Show. Er hatte sie in jeder Hinsicht enttäuscht und hasste sich selbst für das, was aus ihm geworden war.
Max’ Zimmer war so groß, dass er zügig darin auf und ab schreiten konnte. Er ging nun ins Bad und hielt den Kopf unter kaltes Wasser. Und weil das noch nicht reichte, um sein schlechtes Gefühl abzuwaschen, stellte er sich vollbekleidet unter die brühend heiße Dusche. Völlig durchnässt verkroch er sich wieder in sein abgedunkeltes Zimmer und legte sich auf den Boden. Dann fiel ihm die fast volle Flasche Wodka ein, die unter seiner Ebenholzkommode lag. Er holte sie hervor und trank. Dabei überlegte er, was er tun sollte. Er erinnerte sich an den einen Augenblick im Heizungskeller, als er sich von seinen Gefühlen hatte hinreißen lassen, und an den ganzen Scheiß, der daraus entstanden war.
Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er es wieder tun? Nein. Ja. Nein. Ja … nein … keine Ahnung.
Wieder setzte er die Flasche an. Der Alkohol vermischte sich mit der Milch in seinem Magen.
Dayna war schwanger. Und wenn das Kind doch nicht von ihm war?
… Hast du dir was eingefangen von der Emo-Schlampe? Die schleppt das überall rum …
An diese Worte auf seiner Mailbox erinnerte er sich besonders. Er wusste – oder glaubte zu wissen –, dass nichts Wahres daran war.
… Ich hab sie schon vor dir gebumst, Mann …
War Dayna noch Jungfrau gewesen? Er wusste nicht, wie er das hätte erkennen sollen.
Während der Alkohol seine Wirkung tat, ließ sich Max einige der verletzenden Anrufe, die er vor ein paar Wochen bekommen hatte, noch einmal durch den Kopf gehen. Konnte er ihnen Glauben schenken? Sie musste es ihnen doch verraten haben, die ganze Sache mit ihrem Treffen im Keller, dass er so unsicher gewesen war und so mickrig ausgestattet und dass es so schnell vorbei gewesen war.
Max lag auf dem Rücken und strich mit den Armen auf und ab über den flauschigen Teppich, als wolle er einen Schneeengel machen. Einen Engel hätte er jetzt gut gebrauchen können, dachte er und versuchte, sich einen vorzustellen. Einen Schutzengel, der Dayna eine Botschaft überbrachte. Sag ihr, dass ich sie geliebt habe. Noch immer liebe. Oder doch nicht?
Er richtete sich auf.
Er wollte ein richtiger Mann sein. Sie musste es wegmachen lassen.
Er durfte nicht zulassen, dass ein Kind ihm sein Leben kaputtmachte. Nicht mit fünfzehn.
Was hatte er sich nur dabei gedacht, von Denningham wegzugehen?
Er trank den Wodka.
Seine Mutter würde ihm helfen.
Ihn wieder auf den richtigen Weg bringen.
Geh auf eine andere Schule. Lass den ganzen Scheiß hinter dir.
Vergiss das alles.
Jetzt half erst mal der Wodka.
Dayna klappte ihr Handy auf. Eine neue SMS . Von Max.
Sie las mit zusammengekniffenen Augen.
Lass es abtreiben .
Das war alles.
Natürlich hatte sie auch daran gedacht, seit das kleine blaue Kreuz wie von Zauberhand auf dem Teststäbchen erschienen war. Aber wäre das denn nicht Mord?
Mein Baby umbringen …
Um nicht allein zu sein, ging sie in die Küche, wo ihre Mutter gerade Pommes frites machte. Alles schien so unwirklich. Dayna hob den Drahtkorb aus der Fritteuse, pickte sich ein siedend heißes, noch halbrohes Kartoffelstäbchen heraus und schob es sich zwischen die Zähne.
»Finger weg!«, sagte ihre Mutter.
Dayna hätte sich so gern in ihre Arme geworfen, das Gesicht an ihre Schulter gedrückt, ihr schluchzend alles erzählt und sie um Rat gefragt. Wie gern wollte sie wieder ein kleines Mädchen sein, mit einer anderen Familie, einem anderen Leben, und eine neue Chance bekommen. Dann würde sie Lorrell schützend in die Arme schließen und sie mitnehmen. Jetzt hätte Dayna einen Schutzengel gebraucht, jemanden, der über sie wachte und ihr sagte, was zu tun war. Denn sie selbst hatte keine Ahnung.
Lass es abtreiben.
Als könnte man kurz weggehen und reingewaschen wiederkommen. Als unbeschriebenes Blatt.
Und wenn sie es nun bekam und sich irgendwo eine Wohnung nahm? Sie sah ihre Mutter an, die gerade eine Dose Baked Beans in eine Kasserolle leerte. Sollte sie es ihr sagen?
Dayna lief aus der Küche, rannte die Treppe hinauf und stürmte in Lorrells winziges Zimmer. Es war kaum mehr als ein Wandschrank mit einem umgebauten Kinderbettchen darin. Im Schlaf ragten Lorrells Füße immer über die Bettkante. Gerade saß sie auf dem Boden und spielte mit schmutzigen Legosteinen, die sie auf dem Trödelmarkt gekauft hatten. Dayna setzte sich neben sie.
»Fühl mal
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