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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Unkraut. Eingestürzte Bretterbuden und verstreuter Bauschutt verrieten, dass hier früher einmal Schrebergärten gewesen waren. Irgendwo plätscherte Wasser.
    Max ließ sich auf den Boden fallen und streckte alle viere von sich. »Das ist das wahre Leben!« Er grinste.
    Als Dayna sich vorsichtig neben ihm niederließ, richtete er sich kerzengerade auf. Sie schaute sich um. »Der Bach ist aber ganz schön mickrig.«
    Zwischen Steinen und den Überresten einer Abflussrinne aus Beton rann ein etwa zehn Zentimeter tiefes Rinnsal. Darin lagen ein umgekippter Einkaufswagen und einen Meter weiter ein altes Fahrrad, an dem sich vom Wasser angeschwemmte Plastiktüten und Schnüre verfangen hatten.
    »Schon, aber wenigstens sind wir raus aus der Schule. Und zur nächsten Stunde können wir noch rechtzeitig zurück sein, um uns keine Rüge einzuhandeln.«
    »Eine Rüge einhandeln?«, wiederholte sie in geziertem Ton und fügte lächelnd hinzu: »Du redest komisch.«
    »Danke«, sagte Max und verzog das Gesicht. Dann breitete er die Jacke seiner Schuluniform auf dem Boden aus, öffnete die Kühltasche, nahm mehrere Plastikdosen heraus und stellte sie auf die provisorische Picknickdecke. »Hummer mit Crème fraîche und Dill. Mit Honig glasiertes Hühnchen mit Sesam und Brunnenkresse. Krabbenpastete. Kräcker. Cola.«
    »Verdammt nobel.« Dayna tippte mit dem Finger an die Dose mit Hummer. »Also wirklich!«
    Max lachte. »Meine Mutter hat mir einen Zettel hingelegt, dass ich mir aus dem Kühlschrank nehmen soll, was ich mag. Und das habe ich getan. Wäre sonst alles weggeworfen worden, hat sie geschrieben.«
    »Hummer habe ich noch nie probiert. Krabben auch nicht, aber Cola schon.« Grinsend tunkte Dayna einen Kräcker in die blassrosa Masse, probierte vorsichtig und nahm gleich noch einen Bissen. »Schmeckt richtig gut.«
    Max zuckte die Achseln. »Vernünftiges Essen gibt’s nur bei Dad. Burger und so’n Zeug.«
    »Geschieden?«, fragte Dayna mit vollem Mund.
    Max nickte. Er hatte noch nichts gegessen, sondern beobachtete nur, wie Dayna zulangte. Es gefiel ihm, ihr beim Essen zuzusehen. »Ja. Schon ewig.«
    »Meine auch. Meine Mum hat dann diesen faulen Scheißkerl geheiratet. Und deine?«
    »Sie ist solo«, antwortete Max. »Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass einer mit meiner Mutter zurechtkäme. Dad hat diese gruselige Frau. Er behauptet, sie ist nicht seine Freundin, aber ich bin sicher, sie hat ihn sich gekrallt. Mich kann sie nicht ausstehen. Glaubt wahrscheinlich, ich stehe ihr irgendwie im Weg oder so. Ihr wär’s lieber, wenn es mich gar nicht gäbe.«
    »O je. Bei wem wohnst du?«
    Max zuckte die Schultern. Eigentlich wusste er es selbst nicht recht. »Bei keinem«, sagte er lächelnd und dachte, dieser Nachmittag wäre ideal zum Blaumachen.
    Als sie fast beim Schuppen angelangt waren, hatte sich der Himmel zugezogen, und ihre Köpfe und Schultern waren vom stetigen Nieselregen ganz nass. Max kam es vor, als sauge sein Körper das Wasser auf.
    »Ich habe Seitenstechen«, beklagte sich Dayna. »Müssen wir so rennen?«
    Max verlangsamte seinen Schritt. Plötzlich verspürte er den Drang, den Arm um Daynas schmale Taille zu legen und sanft über die Stelle unter ihren Rippen zu streichen, bis der Schmerz verging. Stattdessen zog er sie am Ärmel weiter. »Komm schon, sonst werden wir noch klatschnass.«
    Die Bahntrasse war etwa anderthalb Kilometer von der Schule entfernt. Max hatte den Stacheldraht hochgehalten, damit Dayna darunter durchkriechen konnte. Dann waren die beiden Jugendlichen durch das Gewerbegebiet gelaufen und zwischen den Wagen auf dem Hof des Autohändlers hindurchgerannt. Danach ging es noch ein ganzes Stück den Hang hinunter, bis sie an die Gleise kamen. Max roch den Rauch, der von den vertrauten Reihenhäusern herüberwehte. Nun war er fast zu Hause.
    In gut fünf Meter Entfernung ratterte ein Zug an ihnen vorbei. »Warte doch!«, schrie Dayna bei dem Versuch, den Lärm zu übertönen.
    Am Fuß des Abhangs angekommen, blieb Max unter der blaugrauen Backsteinbrücke stehen und wartete auf sie. Er fand sie schön, wie sie sich behutsam ihren Weg durch das kniehohe Gras und Unterholz suchte. Ihr Haar, das ihr – schwarzglänzend vom Regen, mit ein paar orangefarbenen Strähnen darin – am Kopf klebte, umrahmte jungenhaft ihr Gesicht. Als sie neben ihm herging, bemerkte er, wie klein ihre Nase mit dem winzigen, kaum sichtbaren Glitzerstein im Nasenflügel war. Ihre Haut war rein bis auf

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