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Der fremde Sohn (German Edition)

Der fremde Sohn (German Edition)

Titel: Der fremde Sohn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Hayes
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Geländer blätterte die Farbe ab.
    »Rauf mit euch«, sagte Max, packte das Geländer und rannte los. »Festhalten!« Ihm wurde selbst ganz schwindlig. Sobald das Karussell in Schwung gekommen war, sprang er auf und stellte sich neben Dayna, die sich an der Mittelstange festhielt. Sie hatte den Mund weit aufgerissen, ihre Augen blitzten vor Freude, und ihr feines Haar wehte im Wind.
    Als Max ins Schwanken geriet, hielt er sich an Dayna fest. »Waaahnsinn!«, rief er grinsend. Da ihre Gesichter sich ganz nahe waren, konnte er sie trotz der Geschwindigkeit deutlich erkennen. Die Welt wirbelte um sie herum, doch sie standen ganz ruhig und hielten den Atem an.
    »Es ist, als ob alle Farben ineinanderfließen«, sagte sie und breitete die Arme aus. »Nur du bist immer noch perfekt.«
    Perfekt, hatte sie gesagt.
    Dachte –  empfand  – sie das Gleiche wie er? Die Luft zwischen ihnen war wie elektrisch geladen vor Emotionen. Da fasste sich Max ein Herz, nahm Daynas Gesicht in beide Hände und drückte seinen Mund auf ihren. Ihre Lippen schmeckten salzig von den Pommes, die sie gegessen hatte, und waren voll und weich. Er nahm noch wahr, dass sie ihn mit großen Augen reglos anblickte, dann löste sich die Welt um sie herum auf.
    Sie ging auf seinen Kuss ein, indem sie die Lippen öffnete und mit einer Hand seinen Hinterkopf umfasste.
    Alles war so unwirklich.
    Sie drehten sich im Kreis, gemeinsam, unverletzbar.
    Es war vollkommen.
    »Iiih, is’ ja eklig!«, rief Lorrell.
    »Entschuldige«, sagte Max, den Mund noch immer dicht an Daynas Lippen. Ist schon gut, kam ihre stumme Antwort. Er spürte, wie sich ihre Lippen zu einem scheuen Lächeln verzogen. Hoffentlich war sein Kinn nicht stoppelig. Es war das erste Mal, dass er ein Mädchen küsste, und er konnte nur hoffen, dass er alles richtig gemacht hatte. Als er spürte, wie Daynas Zungenspitze an seine Zähne stieß, öffnete er ein wenig den Mund. In diesem Augenblick schlug etwas gegen seine Beine.
    Es war vorüber. Die Welt hatte sie wieder. Lachend blickten sie auf Lorrell, die von dem nun langsam rotierenden Karussell abgesprungen war und ihnen Hiebe mit einem Zweig versetzte.
    »Eis essen«, forderte sie und zog einen Schmollmund.
    Dayna zog sie wieder auf das Karussell und nahm sie in die Arme. An Max gewandt sagte sie: »Das hat noch nie jemand mit mir getan. Es war schön.«
    »Eklig«, widersprach Lorrell.
    Max lächelte. Alles in ihm war in Aufruhr, und er wusste nicht, wie er jemals wieder Ordnung in seine Gefühle bringen sollte. Er hatte Dayna geküsst, und sie hatte seinen Kuss erwidert. Das war einfach unglaublich. Jetzt wollte er erst einmal für sich sein, sich aufs Bett legen und darüber nachdenken, was das alles zu bedeuten hatte.
    Andererseits wollte er sich nie wieder von ihr trennen.
    Er fragte sich, ob er verändert aussah. Als sich Dayna zu Lorrell hinunterbeugte, die mittlerweile lautstark nach einem Eis verlangte, betastete er sein Gesicht. Sein Kinn war ganz nass.
    »Wir kaufen ihr besser eins«, sagte Dayna. »Vergiss deine Tasche nicht.« Mit Lorrell an der Hand ging sie über den Rasen in die Richtung, in der die Geschäfte lagen. Plötzlich schien es, als sei nichts geschehen.
    »Warte!«, rief Max ihr nach und rannte zur Schaukel, um seine Tasche zu holen. Als er sie über die Schulter warf, musste er an das Messer denken, das darin steckte. Was für unterschiedliche Erfahrungen man innerhalb weniger Stunden machen kann, dachte er. Auf halbem Weg zu den Geschäften holte er Dayna ein, die den Blick geradeaus gerichtet hielt und mit Lorrell schimpfte, sie solle aufhören zu jammern.
    Max verzog das Gesicht und berührte Dayna am Arm. Es kam ihm so vor, als ob sie den Arm wegzog, aber er war sich nicht sicher. »Was hast du denn?«
    Dayna drehte sich zu ihm um und sah ihn mit düsterem Blick an. »Hast du Geld?«, fragte sie ihn in dem rauen Ton, den sie immer in der Schule anschlug und der Angriff und Verteidigung zugleich signalisierte. Mir kann keiner war anhaben, drückte er aus.
    Max kramte in seiner Hosentasche. »Sicher, aber warum bist du –«
    »Danke.« Dayna nahm die Münzen und ging mit Lorrell in den kleinen Laden an der Ecke. Während sie darauf wartete, dass ihre Schwester sich ein Eis am Stiel aussuchte, stand Max hinter ihnen und betrachtete Daynas Haar, das leicht ihre Wange berührte.
    »Nun mach schon, Lorrell«, drängte sie und trat von einem Bein aufs andere.
    »Dayna …« Max trat näher an sie heran. Ein

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