Der Fremde vom anderen Stern
Schublade.
„Was hast du vor?"
„Dan Olson hat getrunken und Streit mit seiner Frau angefangen", erklärte sie. „Dann muß es wohl zum Eklat gekommen sein, als der halbwüchsige Sohn der Olsons den Vater überraschte, wie er seine Mutter schlug. Der Nachbar, der hier angerufen hat, behauptet, der Junge bedrohe den Vater mit einer Waffe."
Ein pubertierender Junge mit einer Waffe konnte gefährlich werden.
„Laß lieber Andy hinfahren", schlug Starbuck besorgt vor.
Charity schaute ihn verständnislos an. „Wieso?"
„Weil es zu gefährlich ist, zum Teufel."
„Es ist aber nun mal mein Job."
Seine Angst um sie ließ ihn mutig werden. „Das ist doch lächerlich."
Ihre Miene versteinerte sich, ihr Blick wurde eisig. „Dein Verhalten ist lächerlich. Wir verschwenden hier nur Zeit. Ich bin bald wieder zurück."
„Wenn du denkst, ich würde dich allein zu diesem wahnsinnigen Jugendlichen fahren lassen, dann irrst du dich aber gewaltig."
Sie runzelte die Stirn, wandte sich abrupt ab und lief zur Tür. Starbuck blieb ihr auf den Fersen.
„Ich begleite dich."
„Das verbitte ich mir."
„Das interessiert mich nicht." Seine Gesichtsmuskeln spannten sich an.
„Versuch ruhig, mich aufzuhalten, Officer, aber es wird dir nur mit Waffengewalt gelingen."
Ihre Miene wurde noch grimmiger. „Schön, du hast gewonnen. Aber du mußt mir versprechen, daß du dich nicht einmischst."
In Gedanken stieß er alle sarnianischen Verwünschungen aus, die ihm einfielen, doch kein Wort drang über seine Lippen. „Einverstanden", brachte er schließlich hervor.
Sie musterte ihn kritisch, doch da er sie noch nie belogen hatte, vertraute sie ihm. „Gut. Komm, wir müssen losfahren."
Schweigend fuhren sie durch die Dunkelheit, nur die Scheinwerfer des Jeeps warfen ein wenig Licht auf die vereiste Straße. Nach ungefähr fünf Minuten bog Charity auf einen holprigen Feldweg ab.
„Ich möchte, daß du im Wagen bleibst", befahl sie, als sie vor einem heruntergekommenen Gebäude anhielt.
„Ich habe nur versprochen, mich nicht einzumischen", erinnerte sie Starbuck spitzfindig. „Nicht, daß ich im Jeep warte."
„Bist du immer so stur?" fuhr sie ihn an.
„Immer."
Leise vor sich hinschimpfend, stieg sie aus, knallte die Fahrertür zu und marschierte zum Haus.
Starbuck folgte ihr eilig.
Als sie das ärmliche, aber saubere Wohnzimmer betraten, bot sich ihnen alles andere als ein Bild häuslichen Friedens. Auf dem Sofa saß eine blasse, verhärmte Frau, sie mochte Ende Dreißig, Anfang Vierzig sein.
Auf einer Wange hatte sie einen starken Bluterguß, und der Blick, den sie Charity und Starbuck zuwarf, verriet Angst und Sorge.
Ihr Mann, der auf einem Sessel saß, dagegen funkelte die Neuankömmlinge wütend an. „Verdammt, halt dich bloß hier heraus, Charity Prescott! Das geht dich gar nichts an."
„Tut mir leid, Dan", entgegnete sie ruhig, „aber ich fürchte, da irrst du dich."
Dann wandte sie sich an den Sohn, der mit zornesrotem Gesicht neben dem Sofa stand, ein Gewehr in der Hand. „Eric, das ist nicht sehr klug, was du da tust."
„Der Mistkerl hat Mom geschlagen." Eric Olson zitterte so sehr, daß sich der Lauf seines Gewehrs auf und ab bewegte, doch er hielt die Waffe immer noch auf seinen Vater gerichtet.
„Zum Teufel, es war ein Unfall", widersprach Dan Olson aufgebracht, ohne jemanden zu überzeugen.
„Ich werde jetzt dafür sorgen, daß es keine derartigen Unfälle mehr gibt." Erics Stimme überschlug sich nicht nur vor Aufregung, denn der Junge war noch im Stimmbruch.
„Ich kann gut verstehen, daß du wütend bist." Charity sprach ruhig und sachlich auf ihn ein. „Das Leben ist eben manchmal ungerecht, aber mit Gewalt kommt man nie weiter." Mit raschen Schritten ging sie auf ihn zu und nahm ihm das Gewehr ab.
„Das sollten Sie lieber ihm erzählen", ereiferte sich Eric und wies zornig auf seinen Vater.
„Genau das habe ich auch vor." Charity wandte sich an Starbuck.
„Würdest du bitte mit Eric einen kleinen Spaziergang machen, damit er wieder einen kühlen Kopf bekommt?"
„Klar." Er spürte, daß Charity die Situation im Griff hatte, und klopfte dem Jungen auf die Schulter.
„Komm, wir zwei schauen jetzt mal, ob wir am Biberdamm bei eurem Teich ein paar Tiere beobachten können."
Sobald die beiden fort waren, redete Charity mit Engelszungen auf Erics Eltern ein. Als Starbuck und der Junge zwanzig Minuten später wieder zurückkamen, hatten sich Dan und Eileen bereit erklärt,
Weitere Kostenlose Bücher