Der Fremde vom anderen Stern
legte sie einen anderen Gang ein und fuhr weiter.
„Wie weit ist es bis zu Ihnen nach Hause?" erkundigte sich Starbuck und tastete nach seinem Beschleunigungsmodul, das er noch in letzter Sekunde in die kleine Tasche seiner Shorts gesteckt hatte.
„Nur noch zehn Kilometer. Wir werden in zwanzig Minuten da sein. Ich würde gern schneller fahren, aber bei der vereisten Fahrbahn traue ich mich nicht."
Zwanzig Minuten für zehn Kilometer! Starbuck schüttelte fassungslos den Kopf. Doch dann sagte er sich, daß er schließlich zur Erde gereist war, um zu lernen, nicht um sich lustig zu machen über eine Technik, die an die Steinzeit von Samia erinnerte.
Doch auf diesem Planeten gab es etwas, das man auf ganz Samia vergeblich suchen konnte: den wundervollen Duft der weiblichen Erdenbewohner. Wenn sie alle so betörend dufteten wie die Frau neben ihm, so war das eine mehr als ausreichende Entschädigung für die vielen Mißstände, die sonst hier herrschten.
Während er weiter darüber nachdachte, wurde er erneut bewußtlos.
Charity war froh, daß Starbuck sich wenigstens so lange auf den Beinen hielt, bis sie ihn ins Haus geführt hatte. Erstaunt beobachtete sie, daß er sogar noch springen konnte, als ein orangefarbenes Fellknäuel auf ihn zulief und kläglich miaute.
„Keine Angst", meinte sie. „Das ist bloß Spenser."
„Spenser?"
„Mein Kater. Tut mir leid, wenn er Sie erschreckt hat", meinte Charity, als sie Starbucks verwirrten Blick sah. „Er will mich bloß daran erinnern, daß ich ihm sein Fressen geben muß." Sie bückte sich und streichelte das hungrige Tier.
„Hab noch ein bißchen Geduld", sagte sie zärtlich. „Ich vergesse dich schon nicht."
Fasziniert betrachtete Starbuck den Kater. Auf Sarnia war die Haustierhaltung schon lange abgeschafft worden, weil man keinen Sinn darin sah.
Dann ließ er sich willig von Charity ins Bett führen, bevor er wieder das Bewußtsein verlor.
Dieses Haus hatte früher ihren Eltern gehört. Dylan und sie waren in dem großen weißen Bett geboren. Nun gehörten Haus und Bett ihr, doch diese Nacht würde sie sich einen anderen Schlafplatz suchen müssen.
Das bißchen Stoff, das ihr Gast auf dem Leib trug, war schon von der Heizung im Wagen getrocknet. Also verzichtete sie darauf, ihn völlig auszuziehen, und schichtete alle Wolldecken, die sie finden konnte, auf seinen wundervollen, starken Körper. Schließlich machte sie noch Feuer im Kamin des Schlafzimmers, um sicherzugehen, daß er nicht fror.
Aus dem Medizinschränkchen im Bad holte sie ein Fieberthermometer und steckte es Starbuck behutsam in den Mund. Nach drei bangen Minuten las sie die Temperatur ab. Dreiunddreißig Grad -
das war immer noch zu wenig, aber wenigstens nicht übermäßig besorgniserregend.
„Noch nicht optimal", murmelte sie, als sie seinen Puls fühlte, „wenn auch besser als vorhin."
Nachdem sie sich wieder und wieder versichert hatte, daß ihrem Patienten in den nächsten zwei Minuten wohl kaum etwas Schlimmes zustoßen würde, zog sie sich endlich den Mantel aus und ging zurück in die Küche, wo sie zuerst Spenser fütterte.
Dann begab sie sich ins Wohnzimmer und holte die Flasche Cognac vom Schrank, die ihr Bruder letztes Jahr zu Weihnachten mitgebracht hatte. Dabei fiel ihr Blick auf den Anrufbeantworter, der neben dem Schrank auf einem Tisch stand. Das rote Lämpchen blinkte.
Charity spulte das Band zurück. Sie konnte sich allerdings schon denken, wer angerufen hatte.
Während sie die Nachricht abhörte, legte sie ihre Dienstpistole ab und schenkte sich Cognac ein.
„Hallo, Schwesterherz", ertönte Dylans tiefe Stimme, „Ich weiß, du wirst nicht gerade begeistert sein, wenn ich unsere Verabredung absage, aber ich glaube, mir ist gerade der entscheidende Durchbruch in meiner Quantensprung-Theorie gelungen. Ich muß unbedingt noch ein paar Programme durch den Computer laufen lassen. Wie wäre es, wenn wir morgen zusammen frühstücken? Ich bringe Brötchen und Croissants mit und bin so gegen neun bei dir. Tut mir wirklich leid, aber ich verspreche dir, ich werde dir meinen Nobelpreis widmen. Schlaf gut, und laß dich nicht von kleinen grünen Männchen beißen."
„Reizend, Dylan", brummte sie, „wirklich reizend." Für heute hatte sie die Nase gestrichen voll von Geschichten über UFOs, die in Castle Mountain gelandet waren.
„Du brauchst vielleicht keinen Cognac", meinte sie mit einem Blick ins Schlafzimmer, wo ihr Gast regungslos im Bett lag. ,Aber ich
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