Der freundliche Mr Crippen | Roman
Geräusch, mit dem ihr Körper ein allerletztes, verzweifeltes Mal um Luft bettelte, kam unter dem Kehldeckel hervor, verklang jedoch rasch. Er hielt sie einige Minuten so fest, bis kein Blut mehr aus der Kehle kam, und machte sich anschließend an die Aufgabe, die er am meisten fürchtete, die jedoch die einzige Möglichkeit darstellte, den Körper ein für alle Mal loszuwerden.
Er holte stapelweise Zeitungen von der anderen Seite des Kellers herüber, platzierte sie in Reichweite, um den grausigen Inhalt hineinzuwickeln, und machte sich daran, Beine und Arme zu amputieren. Es war ein schwieriges Unterfangen, da die Knochen und Muskeln an Hüften und Schultern mehr Widerstand boten, als er erwartet hatte. Seine Messer waren scharf, aber er musste große Kraft aufwenden. Dennoch lag nach einer Stunde Cora Crippens Torso ohne die neben ihm aufgehäuften Gliedmaßen vor ihm. Nach dem Abtrennen des ersten Armes hatte ihm die bizarre Brutalität der Situation keine Schwierigkeiten mehr gemacht, und er hatte sich ohne Scheu oder Grausen ganz seiner Tätigkeit gewidmet.
Als Nächstes musste der Kopf vom Rumpf. Die Kehle war bereits aufgeschlitzt, und so reichten ein paar überlegte Stiche und Schnitte, um ihn vom Körper abzutrennen. Der Boden unter der Leiche war voller Blut, das hinunter auf den Zement sickerte und dort eine große Lache bildete. Der Kellerboden war völlig eben, und so blieb das Blut, wo es war, und bildete ein dünne dunkelrote Fläche. Er zerteilte Arme und Beine an den Ellbogen und Knien, schnitt Hände und Füße ab und wickelte die Einzelteile in Zeitungspapier, bevor er sie sorgfältig im Boden verstaute. Kurz darauf ging es nur noch um den Rumpf. Er schnitt ein großes X hinein, zog die Haut zurück und legte die Eingeweide frei. Mit einem Sägemesser trennte er die Hauptorgane heraus, Herz, Leber, Nieren, verpackte sie einzeln und verstaute auch sie im Boden. Dann kam der Brustkorb an die Reihe, der eingedrückt werden musste, da er sonst zu viel Raum benötigt hätte. Die Reste des Torsos schnitt er in vier gleich große Teile, verpackte auch sie ordentlich und vergrub sie. Zuletzt holte er einen Sack Sand von der anderen Seite des Kellers und verteilte ihn gleichmäßig über den Paketen, bis das blutgetränkte Zeitungspapier darunter verschwunden war, ehe er die Platten zurücklegte und sie stampfend in ihre alte Position brachte. So lag, ein paar Stunden, nachdem er ins Haus am Hilldrop Crescent gekommen war, der Großteil von Cora Crippen sicher im Keller begraben, dem kaum etwas von der Unternehmung anzusehen war.
Er blies die Kerzen aus und brachte sie weg, schaltete die einzelne Glühbirne aus, verließ den Keller und schloss wenig später die Haustür von Nummer 39 Hilldrop Crescent hinter sich ab.
Ihren Kopf trug er in einer Tasche mit sich.
»Nun, das wär’s dann wohl«, murmelte er und ging die Straße hinunter.
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17 Schiffe, die am Morgen vorbeiziehen
Atlantischer Ozean: Mittwoch, 27 . Juli 1910
Den Berechnungen nach würde die
Laurentic
die
Montrose
am 27 . Juli morgens um elf Uhr überholen, und alle an Bord von Kapitän Taylors Schiff hofften darauf, einen Blick auf den berüchtigten Dr. Crippen zu erhaschen. Seit Inspector Walter Dew vor vier Tagen auf die
Laurentic
gekommen war, schienen die Passagiere des Schiffes wie besessen von der fortschreitenden Dramatik der Ereignisse, die Verbrecherjagd war eindeutig der unterhaltsamste Teil der Reise. Ihre Reaktionsweise jedoch unterschied sich je nach Geschlecht, Alter und Klassenzugehörigkeit. Die männlichen Erste-Klasse-Passagiere wetteten auf den genauen Termin, zu dem ihr Schiff das andere passieren würde. Tausende von Pfund waren zu gewinnen und zu verlieren. Die Frauen warnten ihre unartigen Kinder, dass sie, wenn sie nicht lieb seien, hinüber zu Dr. Crippen auf das andere Schiff geschickt würden, sobald die
Laurentic
es erreichte. Die Kinder auf dem Zwischendeck spielten grausige Spiele, bei denen sie so taten, als würden sie sich gegenseitig zerteilen und die einzelnen Pakete in den Rettungsbooten verstecken. Rachel Bailey, eine junge Braut in den Flitterwochen, die einem neuen Leben in Kanada entgegenfuhr, wo ihr Mann Conor die Stelle eines Lehrers antreten sollte, war von dem Geschehen ganz besonders fasziniert. Sie schien ein fast schon sadistisches Vergnügen daran zu haben, Inspector Dew mit Fragen zu überschütten, wann immer sie ihn sah.
»Sie haben die Leiche selbst gefunden,
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