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Der freundliche Mr Crippen | Roman

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Titel: Der freundliche Mr Crippen | Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Boyne
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Inspector?«, sagte Louise auf dem Weg die Treppe hinunter. Es ärgerte sie, dass der Inspector sie nicht hinausbrachte.
    »Ja, natürlich. Geben Sie PC Milburn Ihre Adresse, und ich lasse Sie wissen, was geschieht.«
    Louise und Margaret gingen zurück in den Wachraum und gaben dem Constable ihre Adressen. »Ich bin für gewöhnlich montags zwischen vier und sechs allein zu Hause«, flüsterte ihm Louise ins Ohr.
    Oben in seinem Büro sah Inspector Walter Dew in seinen Kalender. Er hatte in der ganzen nächsten Woche ziemlich viel zu tun.

[zurück]
    10  An Bord der
Montrose
    Atlantischer Ozean: Freitag, 22 . Juli, bis Samstag, 23 . Juli 1910
    Am Freitagmorgen schien die Sonne früh schon auf die Decks der
Montrose,
aber Mr John Robinson lag in seinem Etagenbett und schlief aus. Edmund war gegen acht aufgewacht, frühstücken gegangen und hatte den Speisesaal zum ersten Mal seit Beginn der Fahrt voller Passagiere vorgefunden. Die Mehrheit der Reisenden hatte sich während der vergangenen Tage an die Bewegung des Schiffes gewöhnt und ihren alten Appetit wiedergefunden. Überall um sich herum sah er die Gesichter von Erste-Klasse-Passagieren, deren fette Wangen wieder Farbe angenommen hatten und die sich die leeren Bäuche füllten, als hätte eine Hungersnot ihr Ende gefunden und es gäbe zum ersten Mal seit Wochen wieder etwas zu essen. Da er nicht in eine Unterhaltung hineingezogen werden wollte, suchte er nach einem Platz, an dem er für sich war, sah jedoch keinen freien Tisch. Am Büfett warteten mindestens zehn Leute, und er stellte sich an in der Hoffnung, dass, wenn er sich bedient hatte, vielleicht etwas frei geworden war.
    Als er sich in der Spiegelwand hinter dem Büfett sah, staunte er erneut, wie leicht es war, sich von einer Frau in einen Mann zu verwandeln, besonders, wenn man so schmächtig und schlank war wie er. Die Menschen glaubten, was ihnen präsentiert wurde, und hinterfragten es kaum je, deshalb war die Täuschung bisher so gut gelungen.
    Ihr erstes Gespräch darüber hatten sie in Antwerpen geführt, an dem Nachmittag, als Hawley die Karten für die Überfahrt auf der
Montrose
gekauft hatte, die sie in ihr neues gemeinsames Leben in Kanada bringen sollte. Spätnachmittags war Hawley in ihr Hotelzimmer zurückgekommen, bepackt mit mehreren Taschen, die er mit einem nervösen Ausdruck auf dem Gesicht aufs Bett gelegt hatte. Er war kaum in der Lage, seiner Geliebten in die Augen zu sehen, als er zu seiner Erklärung ansetzte. Ethel war seine Stimmungsschwankungen mittlerweile gewöhnt, der Tod seiner Frau schien ihn nicht loszulassen. Die Erinnerung an sie quälte ihn sichtlich. Der Umstand, dass ihr Liebesverhältnis noch vor Coras Aufbruch nach Kalifornien begonnen hatte, lag ihm ganz offenbar auf der Seele, und Ethel hatte den Eindruck, dass er sich die Schuld an Coras Weggang gab, und in seinem Ehebruch und nicht in Coras unzumutbarem Verhalten den Grund für das Scheitern der Ehe sah.
    »Was ist das alles?«, fragte Ethel und wandte sich am Ankleidetisch, wo sie eine Perlenkette von Cora anprobiert hatte, zu ihm um. Vielleicht war es das Licht, aber sie gefiel sich nicht damit. Die Perlen lagen viel zu weiß auf ihrem blassen Hals. Cora hatte einen weit dunkleren Teint gehabt, was zu ihren Launen gepasst hatte. Achtlos legte Ethel die Kette zur Seite. »Hawley, du hast mir doch nicht wieder Geschenke gekauft? Du verwöhnst mich. Wir sollten unser Geld sparen.«
    »Nicht unbedingt, meine Liebe«, antwortete er, beugte sich zu ihr und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Stirn. »Nur ein paar Dinge für die Reise, das ist alles.«
    »Aber unsere Koffer sind schon ziemlich voll«, sagte sie und stand erwartungsvoll auf, um seine Einkäufe in Augenschein zu nehmen. Obwohl sie nie zuvor ein Verhältnis mit einem Mann gehabt hatte, war sie sicher, dass es keinen Menschen auf dieser Welt gab, der so aufmerksam und rücksichtsvoll war wie Dr. Hawley Harvey Crippen. Wenn er eines wirklich verstand, dann, wie man eine Frau spüren ließ, dass sie geschätzt wurde. Ethel schüttete den Inhalt der Taschen aufs Bett und starrte die Sachen überrascht an. »Ich verstehe nicht«, murmelte sie und wandte ihm verwirrt den Blick zu. »Fährt denn noch jemand mit uns?«
    Auf der Decke lagen mehrere Kniebundhosen und Hemden, Hosenträger, Stiefel, eine Kappe und eine schwarze Perücke. Alles schien in Ethels Größe zu sein, die Sachen waren aber eindeutig für einen Jungen.
    »Ich sollte das

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