Der Friedhofswächter
welche Pläne Fenris hat?«
»Ja, das stimmt.«
Sheila verließ das Zimmer. Sie sah blaß aus. Wahrscheinlich hatte sie das Gespräch mit ihrem Sohn zu sehr mitgenommen. Erst im Wohnraum begann sie zu sprechen.
Bill hatte für sie einen Martini eingeschenkt. Wir tranken den alten Whisky.
»Ich habe Angst«, sagte Sheila. »Nicht um uns, um Johnny. Wir können ihn doch nicht mitnehmen und gewissermaßen als einen Lockvogel benutzen.« Sie schaute Bill an, weil sie hoffte, von ihrem Mann die nötige Unterstützung zu bekommen.
Aber der Reporter dachte ähnlich wie ich und anders als Sheila. »Das siehst du falsch, Darling. Es ist wichtig, wenn Johnny an unserer Seite bleibt.«
»Und dann gegen irgendwelche Monstren kämpft oder Gespenster wie diesen Friedhofswächter, von dem wir nicht einmal wissen, wie er genau aussieht. Das kann der Teufel persönlich sein…«
»Nein, Sheila, das glaube ich nicht«, widersprach ich. »Johnny muß mit, wenn wir etwas ändern wollen.«
Sheila leerte ihr Glas.
Sie widersprach nur indirekt. »Ich weiß es ja«, sagte sie. »Aber die Vorstellung, meinen Sohn mit in den Kreislauf des Schreckens hineinzuziehen, damit kann ich mich einfach nicht anfreunden.« Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir leid.«
Bill legte beide Hände auf ihre Schultern. »Wirst du trotzdem einwilligen?«
»Bleibt mir etwas anderes übrig?«
Ich wartete auf die Antwort, drehte mein Glas in der Hand und sah Sheilas Nicken. »Wir sind lange genug verheiratet, Bill. Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zuzustimmen.«
»Das meine ich auch.« Bill verschwand und erklärte, daß er nachschauen wollte, wo Trevarrick war.
Dafür kam Sheila zu mir. »Wie denkst du darüber, John? Sag mir ehrlich deine Meinung.«
»Ich habe noch keine. Einfach deshalb, weil wir zu wenig Anhaltspunkte besitzen. Es sind zwar genügend Spuren gelegt worden, aber bekomme die mal hintereinander, so daß sie einen Pfad bilden, den wir gehen können. Es wird schwer sein. Zudem befindet sich diese Spur nicht in London, sondern in Trevarrick.«
»Wo das nur wieder ist.«
»Bill wird es finden.«
»Und ich habe Angst um Johnny. Du nicht, John?«
Meine Antwort fiel diplomatisch aus. »Wir werden sehr genau auf ihn achtgeben.«
Sheila hatte verstanden. »Demnach bist du auch unsicher, John. Ich weiß Bescheid.«
»Was ist schon sicher?«
Bill kam zurück. In der Hand hielt er eine Karte. Um besser sehen zu können, schaltete er die Lampen im Wohnraum ein, bevor er die Karte auf einem Tisch ausbreitete.
Es war die Karte einer bekannten Benzinmarke, und sie umfaßte den Süden und Westen Englands.
»Ich weiß, was Trevarrick bedeutet.«
»Mach's nicht so spannend, Bill.«
Er ließ sich trotz meiner Bemerkung nicht aus der Ruhe bringen. Sein Finger wanderte über die Karte und näherte sich im Westen der Insel, dem Landstrich von Cornwall, dieser sagenumwobenen Halbinsel, wo die Zeit in manchen Orten angeblich stehengeblieben ist. »Hier finden wir Trevarrick.«
Sheila und ich mußten schon sehr genau schauen, um den winzigen Kreis zu erkennen, der den Ort darstellen sollte. Es war ein Kaff mit weniger als 500 Einwohnern.
»Und dort sollen wir hin?« fragte Sheila.
»Was heißt hier sollen, wir müssen.«
Ich fragte Bill. »Hast du auch andere Möglichkeiten durchgecheckt, oder bist du nur bei diesem einen Ortsnamen hängengeblieben?«
»Nur bei dem einen.«
»Dann drücken wir uns die Daumen, daß wir nicht aufs falsche Pferd gesetzt haben.«
Bill faltete die Karte zusammen. »Wer muß alles mit?« Er begann mit seiner Aufzählung. »Sheila, Johnny, du, John, Nadine und ich. Wird verdammt eng.«
»Wir holen uns einen anderen Wagen.«
»Okay, einen Kombi.« Bill überlegte einen Moment. »Ich bin dafür, den neuen Volvo-Kombi zu leasen. Der ist klasse. Erstens schnell, zweitens stabil, und drittens paßt viel hinein. Irgendwelche Einwände eurerseits?«
Die hatten wir nicht.
Bill ging zum Telefon, um eine entsprechende Firma anzurufen, die Tag und Nacht besetzt war.
Die Sache mit dem Wagen klappte, wie er uns händereibend verriet.
»Wir starten im Morgengrauen. Du willst doch nicht mehr nach Hause, John?«
Ich schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht.« Ging aber zur Terrassentür und öffnete sie.
Nadine sprang in den Wohnraum. »Sie«, sagte ich, »dürfen wir nicht vergessen. Schließlich ist sie die wichtigste Person in diesem Spiel.«
Die Conollys widersprachen mir nicht!
***
Ein Werwolf erinnert
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