Der Friedhofswächter
besessen haben, daß er die Zeiten überdauerte und heute wieder aktiv geworden ist.«
Alfons Kidder war blaß geworden. Er zweifelte meine Erklärungen nicht mehr an und fragte nur: »Wer gab ihm denn eine solche Macht. Das kann doch nur der Teufel gewesen sein.«
»Da haben Sie im Prinzip recht, Mr. Kidder. Obwohl ich in diesem Fall nicht daran glaube.«
»Gibt es einen noch Böseren?«
Ich lächelte knapp. »Davon einmal ganz abgesehen, haben wir es hier mit einer anderen Magie zu tun, die älter ist als die Menschheit. Bevor die Menschen waren, hat es schon die Wölfe gegeben. Daran sollten Sie denken, Mr. Kidder.«
»Nein, das ist mir zu hoch.«
»Kann ich verstehen. Nur müssen wir jetzt überlegen, was wir weiter unternehmen sollen.«
Bill, der sich etwas umgeschaut hatte, kam zurück. Er hatte meine letzte Bemerkung gehört. »Vielleicht sollten wir auf dem Friedhof hier Wache halten.«
»Da wäre ich auch dafür.«
»Jetzt schon?« fragte der Pfarrer.
Ich überlegte. Im Prinzip hatte Alfons Kidder recht. Werwölfe erschienen in der Nacht. Tagsüber hielten sie sich meist versteckt. Wir konnten davon ausgehen, daß der Werwolf, der in diesem Grab gelegen hatte, sich auch jetzt verborgen hielt. Deshalb brachte es nichts, wenn wir bei Tageslicht die Zeit vertrödelten.
»Gut«, sagte ich und nickte. »Gehen wir wieder zurück. Bei Anbruch der Dunkelheit bin ich aber wieder hier.«
»Ich ebenfalls«, sagte der Pfarrer.
Bill Conolly räusperte sich. »Eines haben wir nicht bedacht, John. Einen Faktor, der Nadine heißt.«
Ich nickte. »Du hast damit gerechnet, sie hierauf dem Friedhof zu finden?«
»Ja. Deshalb schaute ich mich auch um, aber ich konnte die Wölfin nicht finden.«
»Sie wird sich versteckt halten.«
»Und worauf warten?«
Ich sah Bill an, daß er die Antwort wußte, es aber nicht wagte, sie auszusprechen. Das tat ich dann. »Auf die Nacht, auf den anderen Werwolf und vielleicht auf ihren Tod. Es muß zwischen Nadine und diesem Asher einen Zusammenhang geben.«
»Klar. Nur werden wir ihn kaum herausfinden können. Da müßte uns Johnny den Gefallen tun.«
Alfons Kidder hatte zugehört, aber kaum etwas Verstanden. Er schaute uns fragend an, wir gaben ihm keine weiteren Erklärungen, weil wir ihn nicht noch mehr verunsichern wollten.
Dann verließen wir den Friedhof. Wir sprachen nicht mehr. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. In ungefähr zwei Stunden würde es anfangen zu dämmern. Bis dahin, hoffte ich, durch Johnnys Hilfe ein Stück weiter zu sein.
Im Dorf selbst lief alles seinen normalen Gang. Der Pfarrer wurde gegrüßt, wir ebenfalls, aber die Menschen kamen mir durch die Bank weg bedrückt wor.
Als ich den Geistlichen danach fragte, nickte er nur. »Da haben Sie gut geschaut, Mr. Sinclair. Die Menschen leiden unter diesen schrecklichen Morden. Sie haben Angst, daß es sie in der nächsten und übernächsten Nacht erwischt. Und diese Angst ist, so meine ich, bestimmt nicht unbegründet.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Nahe der Kirche trennten wir uns. Der Pfarrer hatte noch etwas zu erledigen, bat uns aber, ihm Bescheid zu geben, wenn wir zum Friedhof gingen.
»Wird erledigt«, sagte Bill.
Wir schauten ihm nach. »Willst du ihn tatsächlich dabei haben?« fragte mich der Reporter.
»Ich weiß nicht. Für ihn ist ein Weltbild zusammengebrochen.«
»Okay, sprechen wir mit Johnny.«
Noch ahnten wir nicht, was passiert war. Wir erfuhren es sehr bald, denn vor dem Gasthaus, das etwas versetzt lag und einzeln stand, lief uns Sheila entgegen.
Bill ahnte es. »Verdammt, da ist was passiert! Sheila!« rief er. Sie rannte auf uns zu und warf sich in Bills Arme. »Johnny! Johnny! Er ist weg!«
***
Sekundenlang standen die beiden da, ohne sich zu rühren. Auch ich hatte das Gefühl, als würde sich der Himmel drehen und wäre der Boden unter meinen Füßen weggezerrt worden.
Bill drehte den Kopf nach links und schaute mich dabei an. Ich sah, wie aus seinem Gesicht sämtliches Blut wich und die Haut eine kalkweiße Farbe annahm.
»Wie ist es passiert?« fragte er.
Sheila berichtete mit stockenden Worten. Immer wieder wurde sie durch ihr Weinen unterbrochen.
Man beobachtete uns aus den Fenstern der in der Nähe stehenden Häuser. Allmählich kristallisierte sich hervor, daß Johnny nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hatte.
»Er muß einen Befehl bekommen haben«, sagte ich zu Sheila.
»Von Nadine?«
»Unter Umständen.«
Sie wischte Tränen aus ihren
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