Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
halten könnte? Hast du ihn mal irgendwo anders als in der Innenstadt gesehen?«
»Nein, Onkel.«
»Schon gut. Wir suchen weiter.«
»Vielleicht sein Vater weiß.«
»Du meinst, dein Vater?«
»Nein, Onkel. Sein Vater. Vater aus Indien.«
»Rajid hat einen Vater? Woher weißt du das?«
»Einmal er uns einladen zu Essen. Bei seinem Vater.«
»Wo?«
»Indien-Restaurant bei Markt. Sein Vater Koch. Große, dicke Mann.«
Es war eine einfache Mahlzeit, aber Phan hatte gelernt, den Fraß hinunterzuwürgen, den man hier draußen am Arsch der Welt gewöhnlich aufgetischt bekam. Er erkundigte sich sogar nach dem Rezept und schreckte nicht einmal davor zurück, es sich »für Freunde in Vientiane« zu notieren, um die Mutter des Mädchens einzuwickeln. Er gab sich als leidenschaftlicher Sammler landestypischer Originalrezepte aus und gratulierte ihr zu ihrer Kochkunst. Er war ein ebenso gewiefter wie überzeugender Schmeichler. Er ließ sich den gallenbitteren Geschmack auf der Zunge zergehen, als habe er vom Nektar der Götter gekostet, und brachte Wei mit einem flüchtigen Blick zum Erröten.
Gar nicht so übel – heute war erst der zweite Tag, und schon gehörte er zum Kreis der Familie: Er saß im Schneidersitz auf der Bambusmatte, erzählte den jüngeren Geschwistern lustige Geschichten und fachsimpelte mit dem älteren Bruder über Technik. Nicht übertrieben. Bescheiden. Nicht der Alleinunterhalter, der die Leute an seiner Aufrichtigkeit zweifeln lässt, sondern der stille, fast schüchterne Mann, der nur spricht, wenn er angesprochen wird. Er stellt höchstens einmal eine Frage zur Region: Flora und Fauna, das Bewässerungssystem. Der ideale Gast.
Wei saß ihm schräg gegenüber, und abgesehen von einem gelegentlichen Seitenblick ignorierte sie der Fremde. Dabei wusste sie genau, wie alle anderen auch, dass er nur ihretwegen hier war.
Am Samstag hatte er dem Dorfvorsteher seine Referenzen vorgelegt und, wie es das Protokoll verlangte, mit dem alten Mann und dessen Frau zu Abend gegessen. Womöglich hatte er dabei auch die junge Lehrerin erwähnt, die er am Teich gesehen hatte, war vielleicht sogar schamhaft errötet, aber nicht weiter ins Detail gegangen. Ein Satz, und damit war das Thema beendet. Natürlich hatte ihn die alte Frau gefragt, warum er nicht verheiratet sei.
»Ich habe die Richtige noch nicht gefunden«, hatte er erwidert. (Nicht ohne von Neuem zartrot anzulaufen.) Er verfüge erst seit Kurzem über das finanzielle Fundament, auf das sich eine Familie gründen ließe. (Wieder war er errötet.) »Ich suche eine intelligente, kinderliebe junge Frau.«
Als er sah, wie das alte Ehepaar darauf verstohlene Blicke wechselte, wusste er, dass die Falle früher oder später zuschnappen würde.
Am Sonntagmorgen hatte er seinen Wagen gewaschen und dann die nächsten sieben Stunden neben dem Webstuhl unter der Pfahlhütte des Dorfvorstehers verbracht. Er saß mit dem Rücken zur Straße an einem provisorischen Schreibtisch und brütete über kompliziert aussehenden Papieren. Eifrig. Konzentriert. Es war so heiß, dass er nur Shorts und ein Unterhemd trug, das seine breiten Schultern hervorragend zur Geltung brachte. Immer wenn oben jemand über den alten Bambusfußboden ging, rieselte Staub auf ihn herab, doch er schenkte dem keinerlei Beachtung. Mittags brachten sie ihm Wasser und einen kleinen Imbiss, und er aß bei der Arbeit. Er wusste, dass die Passanten über ihn sprachen und ihn für seinen Fleiß bewunderten. Nichts konnte ihn stören, bis er, gegen drei Uhr, schließlich fertig war. Er lehnte sich auf seinem Hocker zurück und streckte die Glieder.
Dann zog er Turnschuhe an und ging durchs Dorf; irgendwo spielte bestimmt jemand Takraw. Hinter der Schule wurde er fündig – Teenager und verheiratete Männer standen sich in einem K.o.-Turnier gegenüber. Eine Dreiermannschaft beherrschte den Platz, bis sie geschlagen wurde. Er drängte sich nicht auf, sondern saß einfach da, bewunderte die Fertigkeiten der Spieler und plauderte. Als man ihn zum Mitspielen aufforderte, verzichtete er darauf, die Einheimischen zu übertrumpfen, obwohl es ihm weiß Gott nicht schwergefallen wäre. Er stellte sich einfach in den Dienst seines Teams.
Kinder kamen, lachten und scherzten. Halbwüchsige Mädchen kamen, steckten tuschelnd die Köpfe zusammen und schwärmten von seinen beeindruckenden Muskeln und seinem interessanten Gesicht. Und Wei kam. Mit einem schwulen Freund. Schwuchteln konnte Phan nicht
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