Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
sagte Dtui. »Aber in Ihrem Fall …«
»Ich bin nur ein wenig übermüdet, weiter nichts.« Siri lächelte. »Das Wohnungsamt sitzt mir im Nacken. Ich könnte ein Nickerchen vertragen. Die wollen mich einfach nicht in Frieden lassen.«
»Ich habe davon gehört«, sagte sie.
Geung eilte von dannen, um den blitzsauberen Sektions saal zu schrubben. Dtui setzte sich auf den Stuhl vor Siris Schreibtisch.
»Wegen neulich …«, begann sie.
»Schon gut. Ich habe vollstes Verständnis.«
»Ich wollte nur sagen, ich weiß, dass Ihnen die Sache genauso an die Nieren geht wie mir.«
»Keine Sorge.«
»Danke, Doc. Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan und mir den Kopf über das Mädchen da drinnen zerbrochen.«
»Ich auch.«
»Die Füße?«
»Reisfelder?«
»Zwei Seelen, ein Gedanke. Das ist die einzig plausible Erklärung, auch wenn sie alles andere als plausibel klingt. Sie muss bei der Feldarbeit vom Kopf bis zu den Waden verhüllt gewesen sein. Die meisten Bäuerinnen ziehen sich etwas über, damit ihnen die Sonne nicht die Haut versengt, aber es ist heiß da draußen. Normalerweise begnügen sie sich mit einer Kleiderschicht. Trotzdem werden sie in aller Regel braun. Die meisten sind schon als Kinder dunkelhäutig. So wie das Mädchen aussieht, hat es die Sonne nie gesehen. Meinen Sie, es hatte eine Sonnenallergie?«
»Ohne Sonne hätte sie den Vitamin-D-Mangel irgendwie ausgleichen müssen. Ihre Haut ist sehr blass, aber ihre Pigmentierung weist keinerlei Anzeichen einer Allergie auf. Ich schlage das am besten noch mal nach, gut möglich, dass ich etwas übersehen habe. Das Einzige, was sie nicht bedecken konnte, waren ihre Füße. Dabei hätte sie bloß Gummistiefel anzuziehen brauchen.«
»Das hat sie bestimmt auch getan, bis sie gemerkt hat, was man sich bei diesem Klima in verschwitzten Stiefeln alles holen kann. Ich habe das als kleines Mädchen selbst einmal versucht und mir dabei so ziemlich jede Hautkrankheit zugezogen, die man sich nur vorstellen kann.«
»Trotzdem merkwürdig. Wenn es keine Allergie ist, muss es einen anderen Grund geben, auf den wir bislang nicht gekommen sind. Haben Sie etwas von Phosy gehört?«
»Ich habe gestern Abend eine Nachricht von ihm erhalten. Er will Sie am späten Vormittag anrufen. Es hörte sich nicht danach an, als ob er viel herausgefunden hätte.«
»Gut, ich muss nur noch den Obduktionsbericht für Direktor Suk fertigmachen.«
»Sind Sie sicher, dass Ihnen auch nichts fehlt?«
»Ja, warum?«
»Sie sehen wirklich aus, als ob Sie ein Gespenst gesehen hätten.«
Siri lächelte, obwohl er inzwischen davon überzeugt war, dass er kein Gespenst gesehen hatte. Sondern ein Omen.
Phosy rief gegen halb elf an. Der Sekretär aus der Verwaltung trottete die Treppe hinunter, über den Vorplatz und in die Pathologie, um Dr. Siri mitzuteilen, er werde am Telefon verlangt. Doch als Siri hurtigen Schrittes (das Trotten hatte er sich schon vor Jahren abgewöhnt) ins Sekretariat hinübereilte, war die Leitung zusammengebrochen. Erst eine halbe Tasse Tee später gelang es Phosy, ein zweites Mal durchzukommen.
»Hier Siri. Was gibt’s Neues?«
»Ich war am Tatort und habe mich dort ein wenig umgesehen«, sagte Phosy. »Aber außer einem Kerzenkreis habe ich nichts gefunden; die Roten mit den kurzen Dochten, wie man sie in Tempeln bekommt.«
»Wie groß war der Kreis?«
»Viereinhalb Meter im Durchmesser.«
»Interessant.«
»Wir haben das Foto im ganzen Bezirk herumgezeigt. Man sollte doch annehmen, dass sich jemand an so ein schönes Mädchen erinnert. Fehlanzeige.«
»Phosy, haben Sie sich auch auf Bauernhöfen umgehört?«
»Ja, aber vor allem in der Stadt. Wieso?«
Siri erläuterte ihm ihre Theorie von der von Kopf bis Fuß verhüllten Erntehelferin. Phosy schien skeptisch.
»Das wäre unerträglich gewesen«, meinte er. »Wie kann jemand verhüllt wie eine Mumie auf dem Feld arbeiten … und warum?«
»Wenn es so war«, sagte Siri, »gab es dafür bestimmt einen guten Grund. Erkundigen Sie sich doch, ob jemand so ein Mädchen bei der Feldarbeit beobachtet hat.«
»Gut. Hat der Mageninhalt etwas ergeben?«
»Ich wollte damit gerade ins Lycée zu Lehrerin Oum. Ich hätte das schon früher erledigt, aber sie war übers Wochenende bei einem Seminar. Wie ich höre, hat der Zoll die Chemikalien freigegeben.«
»Die uns die Sowjets gespendet haben?«
»Die Schulkooperative Wladiwostok, um genau zu sein.«
»Soll das heißen, sie haben ein Jahr da
Weitere Kostenlose Bücher