Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
-kellen markierten das jeweilige Revier der einzelnen Familien.
»Siehst du irgendwo eine Falltür?«, fragte Daeng. Sie wirkte ganz und gar nicht wie ein Eindringling, der im Haus anderer Leute umherschlich. Da sie für die laotische Untergrundbewegung als Spionin gearbeitet hatte, empfand sie ein fremdes Bad nicht als Bedrohung.
Sie setzte sich auf einen der winzigen Plastikhocker. »Komm, Siri, lass deine Fantasie spielen. Er ist als Kind jeden Freitag hierhergekommen. Da hatte er doch bestimmt ausreichend Gelegenheit, das Gelände zu erkunden. Während die Erwachsenen am Tisch sitzen, Wein trinken und sich amüsieren, wandert der kleine Rajid allein durchs Haus. Denk wie Rajid.«
»Vielleicht sollte ich mich ausziehen und ein wenig an mir herumspielen.«
»Für den Anfang gar nicht mal so schlecht.«
Siri blieb stehen. »Nein, du hast recht. Wir müssen denken wie Rajid. In seinem tiefsten Innern mag er ein Gelehrter sein, aber äußerlich ist er eine sexhungrige Bestie. Wahrscheinlich denken wir viel zu kompliziert.«
»Du meinst, die alte Französin ist tatsächlich eine alte Französin? Eine Nachbarin, zum Beispiel?«
»Und die Spitze …«
»Ist ihre Unterwäsche. Und der Hauch von Rosa ihre Haut. Genial! Na schön. Und wo, bitte, soll er sie nackt gesehen haben?«
»Also, wenn sie sich nicht am Esstisch ausgezogen hat, dann doch wohl am ehesten hier.«
»Aber hier drin konnte er sich nirgends verstecken, und das Fenster ist zu hoch.«
Siri setzte sich auf das Wasserklosett und sah sich um.
»Da«, sagte er und deutete auf die Scheuerleiste, in die ein rechteckiges Gitter eingelassen war, kaum größer als ein Briefumschlag.
»Da hätte er aber ein echter Zwerg sein müssen.« Daeng sank lachend auf die Knie, um die Sache aus der Nähe zu betrachten.
»Die Treppe«, sagte Siri. »Das Gitter befindet sich direkt unter der Treppe.« Er ging zur Tür, wo er mit einem muskulösen Mann zusammenstieß, der ein Handtuch um die Hüfte trug. »Wohlsein«, sagte er.
»Wohlsein«, erwiderte der Mann, der offenbar nicht damit gerechnet hatte, in seinem eigenen Badezimmer einem fremden älteren Herrn in die Arme zu laufen. Er sah zu der alten Dame, die auf allen vieren auf dem nackten Estrich herumkroch.
»Wir ziehen demnächst hier ein«, sagte Siri, »und wollten schon mal … schon mal …«
»Ausmessen, wegen der Vorhänge«, half Daeng ihm aus. Sie rappelte sich hoch und folgte Siri auf den Flur hinaus, nicht ohne den nackten Oberkörper des Mannes eingehend in Augenschein zu nehmen. Der errötete und machte eilig die Tür zu.
»Vorhänge?«, murmelte Siri auf dem Weg zur Treppe.
»Ja.«
»Im Bad?«
»Warum denn nicht? Du hättest dich wahrscheinlich als Toiletteninspektor ausgegeben.«
»Was spricht dagegen?«
Sie standen am Fuß der Treppe und überlegten, wie der mutmaßliche Spanner in den Hohlraum darunter gelangt war. Siri trat mit der Schuhspitze gegen die hölzernen Stufen. Die ersten beiden klangen hart und dumpf. Die dritte gab ein hohles boing von sich und schien auf Druck ein wenig nachzugeben. Obwohl das Brett sich farblich nicht von den anderen unterschied, handelte es sich eindeutig um eine Sperrholzattrappe. Siri kniete sich auf die erste Stufe und drückte an einer Seite gegen das lose Brett. Es blieb nur an seinem Platz, weil es sich passgenau zwischen die beiden Stufen fügte. Doch es gab bereitwillig nach, und mit ein wenig Glück gelang es Siri, das Brett herauszuziehen, ohne dass es in die entstandene Lücke fiel.
»Siehst du etwas?«, fragte Daeng und hockte sich neben ihn. Sie hörten davonhuschende Kakerlaken, vielleicht das Trippeln einer Maus.
»Der Spalt ist zu schmal, um hindurchzukriechen«, befand Siri.
»Na, Gott sei Dank.«
»Aber ein dürrer kleiner Inder dürfte damit keine allzu großen Schwierigkeiten haben.«
»Was ist denn das da drüben?«
Sie steckten den Kopf durch den Spalt. Das Licht aus dem Badezimmer schien gelb durch das knapp zweieinhalb Meter entfernte Gitter. Rechts davon sahen sie einen Schatten. Er war etwa dreißig Zentimeter hoch und wies sämtliche Merkmale eines Pelztiers auf, das im Dunkeln auf den richtigen Moment zum Angriff lauerte.
»Leuchte doch mal mit der Taschenlampe.«
»Die habe ich im Bad vergessen.«
»Ich meine auch.«
»Hat es sich gerade bewegt?«, fragte Siri. »Ich glaube nicht. Wenn ich einen Stock hätte, könnte ich ihm einen Stups geben.«
»Warte hier.«
Als Daeng ins Badezimmer kam, übergoss der Mann
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