Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
keine halben Sachen, Doktor. Wir hatten Landfrauen zur Fortbildung hier und haben Referentinnen in die Provinzen geschickt. So hat sich die Geschichte schnell herumgesprochen. Einem wütenden Heer von Frauen ist so leicht nicht beizukommen.«
»Wem sagen Sie das?«
»Ich habe mir erlaubt, zwei Geschichten herauszupicken. Die eine ist der Augenzeugenbericht einer Frau aus Attapeu. Die andere ist uns über fünf Ecken zugetragen worden. Möchten Sie vielleicht einen Schluck Tee?«
»Danke, gern.«
Pornsawan schenkte ein und erzählte die erste Geschichte.
»Ein Mädchen in Champasak, im Süden«, begann sie. »Es war im September letzten Jahres. Ihre Eltern hatten sie in die Nachbarprovinz Attapeu geschickt, wo sie in einem Holz fällercamp aushelfen sollte. Wie es scheint, hatte einer der Vorarbeiter ein Auge auf sie geworfen, seit er sie an seinem freien Tag durch Pakxe hatte flanieren sehen. Er redete ihren Eltern ein, dass sie für den Posten einer Sekretärin des Projekts in den Hügeln wie geschaffen sei. Dabei war sie über die dritte Klasse nicht hinausgekommen und hatte ihr Lebtag noch keine Schreibmaschine gesehen, der Vorarbeiter war also offenbar ein Meister in der Kunst, Potenziale frühzeitig zu erkennen.«
»Offenbar.«
Sie setzte sich und ließ ihren Tee auf dem Schreibtisch unter dem Deckenventilator ein wenig abkühlen. Siri nippte an seiner Tasse.
»Der Vorarbeiter besorgte ihr die nötigen Reiseunterlagen und fuhr mit ihr in die Hügel hinauf. Wie nicht anders zu erwarten, machte er ihr gleich in der ersten Nacht Avancen, worauf das Mädchen, noch Jungfrau, im Haus des Dorfvorstehers und seiner Familie Zuflucht suchte und den Vorfall meldete. Dort logierte auch ein Beamter der Landwirtschaftsabteilung. Die Geschichte des Mädchens empörte ihn so sehr, dass er zum Haus des Vorarbeiters fuhr und ihn zusammenschlug. Angeblich hat er ihn halbtot geprügelt, aber wir wissen ja, was von solchen Gerüchten zu halten ist, Bruder Siri. Wir sind Ärzte und können nicht einfach sagen: ›Er hatte es nicht besser verdient.‹ Das Mädchen wohnte ein paar Tage beim Dorfvorsteher, und sie und der Mann aus der Landwirtschaftsabteilung verliebten sich Hals über Kopf ineinander. Dann ging der Bräutigam auf eine vierzehntägige Geschäftsreise, und kaum war er wieder da, wurden sie auch schon getraut.«
»Hoppla. Das ging aber flott.«
»Wir halten die jungen Frauen dazu an, zu der alten Tradition zurückzukehren, ihren Zukünftigen erst einmal kennenzulernen, bevor sie ihm das Jawort geben. Das ist leichter gesagt als getan, gerade in so turbulenten Zeiten wie diesen: Truppen werden verlagert, Männer sterben, und selbst durch entlegenste Dörfer werden Straßen gebaut. Da legen viele Familien die Zukunft ihrer Töchter bereitwillig in die Hände eines Fremden, der finanziell besser gestellt ist als sie selbst. Die Landbevölkerung wird immer ärmer und die Verzweiflung immer größer.
Aber ich schweife ab. Am Abend der Hochzeit im Elternhaus des Mädchens gab der Bräutigam bekannt, er müsse in zwei Tagen wieder in Vientiane sein. Angesichts des Straßenzustands eine schier unmögliche Aufgabe. Also machte er sich mit der Braut gleich nach der Trauung aus dem Staub. Er fuhr einen Laster. Leider wusste unsere Zeugin nicht, um was für ein Modell es sich handelte, nur dass die Dorfjungen sich um den Wagen scharten und ihn mit großem Ah und Oh bestaunten. Das war das letzte Mal, dass die Eltern ihre Tochter lebend sahen. Sie haben nie wieder von ihr gehört.«
»Und das war die Fünf-Ecken-Geschichte?«
»Nein, das ist der Bericht der Frau des Dorfvorstehers aus Attapeu. Sie hatte zur Hochzeit zwar keinen Passierschein mehr ergattern können, aber als sie das nächste Mal im Auftrag des Patriotinnenverbandes nach Champasak gereist ist, hat sie die Familie besucht und bei dieser Gelegenheit erfahren, dass die Leute von ihrer Tochter schon längere Zeit nichts mehr gehört hatten.«
»Konnte sie sich an den Namen des Mannes erinnern?«
»Ja, er hieß genau wie ihr ältester Sohn. Khamphan.«
Siri pfiff durch die Zähne. »Phan Nummer zwei. Sonst noch etwas?«
»An mehr konnte sie sich nicht entsinnen. Aber sie fährt morgen in den Süden zurück und hat versprochen, uns das Empfehlungsschreiben zukommen zu lassen, das er ihrem Mann vorgelegt hat.«
»Und das, genau wie das erste, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gefälscht ist. Doktor, ich würde die Frau vor ihrer Abreise gern von
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