Der fröhliche Frauenhasser: Dr. Siri ermittelt (German Edition)
Indiz dafür, dass sie schon seit geraumer Zeit hier auf ihn warteten. Einen der Männer kannte Siri, Genosse Koomki vom Wohnungsamt.
Phat deutete ein entschuldigendes Achselzucken an und starrte schmunzelnd auf seine Papiere.
»Siri«, sagte Haeng mit einer erstaunlich tiefen Stimme, die Siri so noch nie gehört hatte, »wo, zum Teufel, sind Sie gewesen?«
»Auf der Toilette«, antwortete Siri wahrheitsgemäß. Die Höflichkeit gebot es, die Reihe der Sofahocker abzuschreiten und allen dreien die Hand zu schütteln. Obwohl Siris Hand noch feucht war, blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Geste zu erwidern.
»Zwei Stunden?«, brüllte der Richter Siris Rücken an.
»Nein, höchstens zwei Minuten. Ich verspürte ein plötzliches Bedürfnis und kam zufällig an einem WC vorbei, also habe ich …«
»Ich hatte Sie für halb zwei hierherbestellt.«
»Stimmt. Ich hatte Dringenderes zu erledigen.«
»Sie …?« Der Richter sah gequält lächelnd zu dem Besuchertrio. »Die Genossen sind seit Viertel nach eins hier.«
»Sie wollten unbedingt auf Sie warten«, sagte der Vietnamese, und die zarte Andeutung eines Lächelns huschte über die untere Hälfte seines Gesichts.
»Wie schön, dass wenigstens eine Regierungsbehörde genügend Zeit hat, um sie mit Nichtstun zu vertändeln«, sagte Siri und ließ sich auf dem Stuhl vor Haengs Schreibtisch nieder. »Dieser Luxus ist nur wenigen Auserwählten vergönnt.«
»Siri, die Angelegenheit ist ernst«, knurrte der Richter. »Der Genosse Koomki wirft Ihnen vor …«
»Ich weiß, was er mir vorwirft: Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Für solchen Unfug ist in der neuen Republik nämlich kein Platz.«
»Richter Haeng«, meldete sich der kleine Mann zu Wort. »Wenn Sie gestatten.«
»Bitte«, sagte der Richter.
»Wir haben zwar durchaus Bedenken hinsichtlich des Lebenswandels der Personen, die Dr. Siri unter seinem Dach beherbergt«, begann Koomki, »aber das steht hier nicht zur Debatte. Wir verfügen über stichhaltige Beweise dafür, dass Sie, Dr. Siri Paiboun, nicht in der staatlichen Wohneinheit 22B742 residieren.«
»Na, dann lassen Sie mal sehen«, sagte Siri.
Koomki stand auf und trat an Haengs Schreibtisch. Er hielt einen großen, grauen Umschlag in der Hand.
»Meine Kollegen und ich haben sowohl die Einheit 22B742 als auch die gewerblich genutzte Immobilie seiner Frau Madame Daeng einer insgesamt fünftägigen Observierung unterzogen.«
»Gütiger Himmel«, sagte Siri und sank in sich zusammen. »Da können Ausländer in aller Ruhe die Bergtempel von Wat Phou – eines unserer ältesten Kulturdenkmäler – plündern, weil die Regierung angeblich kein Geld für einen Wächter hat, und hier verplempern gleich drei Beamte im mittleren Dienst eine geschlagene Woche mit der Überwachung einer Nudelküche? Es gibt in diesem Land wahrhaftig Wichtigeres, woran Sie Ihren nervösen Übereifer abreagieren könnten.«
»Erstens bin ich Beamter im gehobenen Dienst«, sagte Koomki. »Und zweitens sind, was die Tätigkeit hochrangiger Beamter angeht, Offenheit und Transparenz für mich oberstes Gebot, auch und gerade in diesen unruhigen Zeiten.«
»Ach ja? Und warum gründen Sie dann keine Oppositionspartei?«, kläffte Siri. »Die würde für die nötige Ruhe schon sorgen.«
»Siri«, fuhr Richter Haeng dazwischen, »können wir uns jetzt bitte die Beweise des Genossen ansehen?«
»Aber Herr Richter! Sie können doch nicht im Ernst …?«
»Siri! Danke.«
Siri gab sich geschlagen, und der kleine Mann grinste spöttisch. Er zog ein Bündel Papiere aus dem Umschlag und wedelte damit.
»Euer Ehren, dies …«
»Wir sind hier nicht vor Gericht, Genosse«, sagte Haeng. »›Herr Richter‹ genügt vollauf.«
»Jawohl, Genosse.« Koomki nickte. »Dies ist das Protokoll der bereits erwähnten fünftägigen Observierung. Daraus geht eindeutig hervor, dass Dr. Siri sich in diesem Zeitraum nicht etwa in Einheit 22B742, sondern, in Zuwiderhandlung gegen diverse einschlägige Gesetze, ausschließlich in der Garküche seiner Gattin aufgehalten hat.«
»Die ganze Zeit?«, fragte Haeng.
»Was?«
»Hat Dr. Siri sich über die gesamte Dauer der Überwachung im Lokal seiner Frau aufgehalten?«
»Ja beziehungsweise nein. Es gab natürlich Unterbrechungen.«
»Wie viele?«
»Drei. Entweder sahen wir ihn wegfahren, aber nicht ankommen, oder umgekehrt.«
»Dreimal in fünf Tagen?« Richter Haeng zog die Augenbrauen hoch. »Das ist aber keine besonders beeindruckende
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