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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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versucht haben könnte, ihn zum Schweigen zu bringen. Er half mir. Er half ihr ! Hätte er auf mich gewiesen, ich hätte nicht geleugnet. Ich gebe zu, ich hatte ein wenig Angst und hätte es gern geheimgehalten. Aber jetzt gibt es keine Geheimnisse mehr.«
    »Und doch seid Ihr der einzige«, beharrte der Abt, ohne das Vorgebrachte wie eine Anklage klingen zu lassen, »von dem bekannt ist, daß er einen Grund hatte, Aldhelms Kommen zu fürchten. Das, was Ihr uns zu berichten geruhtet, kann diese Wahrheit weder ungeschehen machen, noch Euch von ihr freisprechen. Ich halte es daher für geboten, daß Ihr, solange der Mord nicht aufgeklärt ist, in diesem Kloster unter Verwahrung bleibt. Die einzige Anklage, die derzeit gegen Euch vorgebracht werden kann, lautet auf Diebstahl aus unserem Hause. Darüber aber soll erst später verhandelt werden. Das unterstellt Euch meiner Verfügungsgewalt. Ich denke, der Lord Sheriff möchte etwas zu dieser Anordnung sagen.«
    »Ich habe keinen Einwand dagegen vorzubringen«, entgegnete Hugh ohne Zögern. »Ich überlasse ihn Eurer Verantwortung, Vater Abt.«
    Herluin hatte bisher kein Wort dafür oder dagegen geäußert.
    Er wog im stillen die Möglichkeiten ab, die ihm geblieben waren, und bis jetzt schienen sie ihm nicht völlig hoffnungslos zu sein.
    Der törichte Junge mochte zwar verheerende Fehler gemacht haben, aber er hatte die Grundlage seines Anspruchs auf die Heilige aufrechterhalten. Die Heilige hatte es gewollt! Wie könnte das Haus, in dessen Obliegenheit sie sich derzeit befand, das Gegenteil beweisen? Winifred hatte sich auf den Weg gemacht, und nur die Schlechtigkeit der Menschen hatte ihre Reise zunichte gemacht.
    »Bittet Vater Vitalis, die Wächter zu rufen, um Tutilo in Gewahrsam zu nehmen«, sagte der Abt. »Und Ihr, Bruder Cadfael, begleitet ihn in seine Zelle, und kommt danach, so Ihr wollt, zu uns zurück.«

7. Kapitel
    Als Cadfael wieder in das Empfangszimmer des Abtes trat, spürte er sogleich, daß die Kampfhandlungen zwar noch nicht begonnen, die Trompeten zum Angriff aber schon gestimmt waren. Radulfus bewahrte seine richterliche Ruhe, und der Gesichtsausdruck des Grafen war wohlwollend und aufgeschlossen, auch wenn man nicht abschätzen konnte, was im hochintelligenten Geiste dahinter tatsächlich vor sich ging.
    Prior Robert und Subprior Herluin indes saßen kerzengerade mit steifem Rückgrat und mit langen, würdevollen und versteinerten Gesichtern da, bemüht, einander nicht anzusehen und dabei dennoch freundlich dreinzublicken und den Eindruck zu erwecken, als dächten sie mit herrschaftlicher Unvoreingenommenheit über die Sachlage nach, der sie sich gegenübersahen.
    »Wenn man die Frage des Mordes beiseite läßt, für dessen Hergang wir ja bisher keinerlei beweiskräftigen Hinweis haben«, sprach Herluin, »so kann man Tutilos Bericht gewiß Glauben schenken. Es handelte sich um einen heiligen Diebstahl. Er hat ausgeführt, was die Heilige wollte.«
    »Es fällt mir nicht leicht«, sagte Abt Radulfus mit betont frostiger Stimme, »das Thema Mord außer acht zu lassen. Es hat Vorrang vor allen sonstigen Dingen. Hugh, was haltet Ihr von diesem Jungen? Er hat uns jetzt über das aufgeklärt, was – wie er befürchten mußte – Aldhelm uns berichtet hätte. Somit hatte er keinen Grund zu töten.«
    »Nein«, sagte Hugh. »Er hatte, wie er selbst zugab, einen Grund, und wir wissen von keinem anderen Menschen, der einen hatte. Er könnte gemordet und nach dem Mord beschlossen haben, seine Tat zu vertuschen. Es ist immerhin möglich… Mehr will ich nicht sagen. Er kam direkt zu uns auf die Burg und erzählte uns, daß er die Leiche gefunden hat. Und er war ohne Frage sehr erschüttert und verwirrt, was aber nicht beweist, ob er schuldig oder unschuldig war. Heute, muß ich zugeben, hat er ein Verhalten an den Tag gelegt wie einer, der unschuldig ist – bewegt, teilnahmsvoll, bedauernd. Wenn das alles nur gespielt war, um seine Schuld zu verschleiern, dann ist er, über sein Alter hinaus, verwegen, scharfsinnig und verschlagen. Dennoch«, fügte er hinzu und schnitt ein Gesicht, »kann ich mir tatsächlich vorstellen, daß er die Kühnheit besitzt, ein solches Spiel zu treiben.«
    »Aber«, sagte Radulfus, nachdenklich die Stirn runzelnd, »warum sollte er dann jetzt zu mir kommen und eine Tat gestehen, die Aldhelm jetzt nicht mehr hätte aufdecken können?«
    »Weil ihm noch nicht völlig klar geworden war, daß weiterhin ein Verdacht auf ihm lasten

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