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Der Fromme Dieb

Der Fromme Dieb

Titel: Der Fromme Dieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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htigender Geste, und halte den Mund.
    »Ihr habt recht gehandelt, wenigstens was Euer Geständnis betrifft«, sprach Radulfus in mildem Tone. »Wie Ihr selbst uns gestern nacht berichtet habt, und wie der Sheriff uns inzwischen bestätigte, ist der junge Mann, den Ihr auf diese Weise verleitet habt, zu unserem größten Kummer, und gewiß auch zu Eurem, nun tot und liegt hier in unseren Mauern, wo wir für die ihm zustehende Bestattung Sorge tragen werden. Wäre es nicht besser gewesen, Ihr hättet früher gesprochen und ihm den Gang erspart, der für ihn in den Tod führte?«
    Der letzte Rest an Farbe wich jetzt langsam aus Tutilos Wangen, ließ ihn grau und stumm und wie versteinert dastehen.
    Als er seiner verkrampften Kehle wieder Leben einzuhauchen vermochte, war seine Stimme nur mehr ein ersticktes Flüstern:
    »Vater, es ist meine Schuld. Aber ich konnte es nicht ahnen!
    Selbst jetzt vermag ich es nicht zu begreifen!«
    In diesem Augenblick wurde es Cadfael gänzlich klar, daß Tutilo nicht gemordet hatte, ja nicht einmal hatte vorhersehen können, daß seine hinterlistige Tat eine andere Seele in Todesgefahr bringen würde.
    »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte der Abt ohne Regung. »Ihr spracht von Rechtfertigung. Wenn Ihr meint, es sei zu rechtfertigen, so fahret fort. Wir wollen Euch zu Ende hören.«
    Tutilo schluckte, sammelte sich und straffte die wohlgeformten Schultern. »Vater, was ich auch nicht gänzlich rechtfertigen kann, das kann ich doch wenigstens erklären. Ich kam mit Vater Herluin hierher, tief bekümmert über Ramseys Verlust und voller Verlangen, etwas Großes für den Wiederaufbau unseres Klosters zu tun. Ich hörte von den Wundertaten der heiligen Winifred und von den vielen Pilgern und den reichen Gaben, die sie Shrewsbury eingebracht hat, und ich träumte davon, solch eine Schutzheilige zu finden, die neues Leben nach Ramsey bringen würde. Ich betete, sie möge sich für uns einsetzen und uns ihr Wohlwollen bezeigen.
    Und mir war, als hätte sie mich erhört und sei gewillt, uns ihre Gunst zu erweisen. Es kam mir vor, Vater, als sei sie uns wohl geneigt und zudem gewillt, zu uns zu kommen. Und ich fühlte die schwere Pflicht auf mir lasten, ihren Willen in die Tat umzusetzen.«
    Die Farbe war in sein Gesicht zurückgekehrt und brannte auf seinen Wangen, ein wenig hektisch, ein wenig fiebrig. Cadfael beobachtete ihn, und ihn befielen Zweifel. War Tutilo selbst überzeugt, oder konnte er mit der Kraft seines Willens diesen Zauber hervorbringen, um andere zu überzeugen? Oder versuchte er, wie jeder fehlbare Sünder, voller Verzweiflung einen Schutzwall der Naivität um seine Machenschaften zu errichten? Die entlarvte Sünde vermag allerlei Schleier zu ersinnen, um ihre Nacktheit zu verhüllen.
    »Ich ersann und führte alles so aus, wie ich es Euch berichtet habe«, sagte Tutilo, plötzlich knapp und trocken. »Ich hatte nicht das Gefühl, ein Unrecht zu begehen. Ich glaubte, einen Auftrag zu haben – und gehorchte. Aber es schmerzt mich bitter, daß ich eines anderen Mannes bedurfte, der mir half – in Unkenntnis.«
    »In Unschuld«, sagte der Abt. »Auf seine Gefahr.«
    »Das gebe ich zu«, sagte Tutilo, aufrecht und mit weit geöffneten Augen. »Ich bedaure es. Gott möge mir vergeben.«
    »Wenn die Zeit gekommen ist«, sagte Radulfus mit beharrlicher Unvoreingenommenheit. »Vielleicht. Es steht uns nicht zu, uns einzumischen. Was uns betrifft, so haben wir Euren Bericht, wir haben eine Heilige, die auf seltsamen Wegen zu uns zurückgekehrt ist, und wir haben jene, die auf dieser Reise ihre Freunde waren, und wir könnten sogar glauben, wie Ihr es glaubt, daß sie über ihr eigenes Schicksal entscheiden konnte und ihre Freunde und ihre Anhänger selbst ausgewählt hat. Aber bevor wir diese Frage klären, haben wir hier noch einen ermordeten Mann. Weder Gott noch seine Heiligen nehmen einen Mord hin. Dieser junge Aldhelm schreit zu uns nach Gerechtigkeit. Wenn Ihr uns etwas sagen könnt, was Licht auf seinen Tod zu werfen vermag, so sprecht nun.«
    »Vater«, rief Tutilo, plötzlich wieder erschreckend bleich geworden, »ich flehe Euch an, mir zu glauben, daß ich ihm niemals irgendein Leid zugefügt habe oder zufügen wollte. Ich weiß auch von niemandem, der Grund gehabt hätte, ihm etwas Böses zu wünschen. Es stimmt zwar, daß er Euch hätte erzählen können, was ich Euch jetzt mitgeteilt habe. Aber das war kein Grund für mich, ihn so sehr zu fürchten, daß ich

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