Der Frühjahrsputz
im blaustichigen Licht des Fernsehers zu schauen. Ihr Angebot einer späten Mahlzeit lehnte er ab.
»Lieb von dir«, sagte er, »aber ich bin kaputt.«
»Kein Problem«, meinte sie unbeschwert und schloss sich im Badezimmer ein.
Sie löste ihr Haar in dem hellen Licht der runden Glühlampen, die den großen Spiegel einrahmten, und bürstete es, bis alle Unebenheiten von den Nadeln, mit denen sie ihren Nackenknoten festgesteckt hatte, verschwunden waren und es seidig und lang über ihre Schultern fiel.
Max liebte es, wenn sie die Haare offen trug. Ließ sie sich ab und zu die Spitzen nur einen Zentimeter kürzen, um den Spliss herauszuschneiden, fiel ihm das stets sofort auf. »Du hast deine Haare abgeschnitten«, sagte er dann immer.
»Nur ein bisschen«, pflegte sie darauf zu erwidern und schüttelte ihm ihr Haar ins Gesicht, kitzelte seine Haut damit, bis er sie an sich zog Wie lange war es her, seit er das zuletzt getan hatte?
Sie wehrte sich gegen solch kritische Gedanken. Es spielte keine Rolle. Heute Nacht würde es wieder wie früher sein.
Sie warf ihr Haar über die Schultern zurück. Mittlerweile war sie eigentlich ein wenig zu alt für solch langes Haar. Wäre sie ihre eigene Kundin, würde sie sagen: »Lassen Sie es abschneiden, zu einer flotteren und eleganteren Frisur.« Langes Haar wie ihres war sowieso nur etwas für Märchenfeen. Etwas für kleine Mädchen, ewige Alices.
Und für Frauen mit Ehemännern wie Max.
Sie ignorierte ihr zweckmäßiges langes Flanellnachthemd, das an dem Haken an der Tür hing - sie hatte mindestens ein Dutzend davon, allesamt Weihnachtsgeschenke ihrer Mutter streifte ihre Kleider ab und schlüpfte in das weiße Chiffonhemd. Es glitt wie Sahne über ihre Haut, kühl, glatt und fließend; der Stoff umspielte sie wie ein Wasserfall. Sie strich ein paarmal kräftig darüber, um ihn zu glätten, und begutachtete im Spiegel, wie er sich an ihre Kurven schmiegte. Er war leicht durchsichtig, ihre großen Brustwarzen zeichneten sich dunkel darunter ab, und weiter unten -
Wenn Max angesichts dieses Anblicks entsetzt wäre, würde sie sich scheiden lassen und ihn Barbara schenken.
Sie drehte sich ein wenig im Badezimmer hin und her, ohne den Blick von ihrem Spiegelbild zu lösen, um zu sehen, wie der Chiffon sie seidig umspielte und wie ihr Haar weich über die Schultern fiel. Sie war begeistert von ihrem Anblick, von dem wunderbaren Gefühl des Stoffs auf ihrer Haut, voller Vorfreude, wie verrückt Max nach ihr sein würde, sobald er sie so sah.
Sie hörte, wie er in das angrenzende Schlafzimmer trat, und entriegelte die Badezimmertür. Gespannt wartete sie darauf, dass er durch die Tür kam, um sich bettfertig zu machen. Vielleicht würden sie es gar nicht mehr bis ins Schlafzimmer schaffen. Vielleicht würde er sie gleich hier auf dem Waschtisch nehmen. Einmal hatten sie es so im Bad der Werkstatt gemacht, und das war schließlich in der Werkstatt gewesen und nicht in ihren eigenen vier Wänden - in seinem eigenen Haus konnte er einfach nicht nein sagen. In der Werkstatt hatte er jedenfalls keinen Augenblick gezögert. Bei der Erinnerung daran erschauerte sie ein wenig.
Sie hatten es auch an anderen Orten gemacht. Zum Beispiel in ihrem Kinderzimmer, während ihre Mutter nebenan schlief; Debbie war auf einer Schlafanzugparty gewesen, und Darla hatte geflüstert: »Ich will auch eine Party.« Max war den Baum im Garten hochgeklettert und hatte beim Einstieg in ihr Fenster beinahe sein Leben riskiert. Und auf dem Rücksitz von Max´ alter Rostlaube - mindestens hundertmal, so schien es ihr, obwohl es tatsächlich nicht mehr als ein dutzendmal gewesen sein mochte. Sogar einmal auf dem Vordersitz des Werkstattlasters. Sie waren damit zum Autokino gefahren, weil der Sitz höher lag und sie so besser sehen konnten, aber dann hatten sie nur die erste Hälfte des ersten Films mitbekommen. Stunden , dachte sie. Wir haben uns stundenlang gestreichelt. Damals hatte sie ihren ersten Orgasmus gehabt, hatte zum ersten Mal gedacht, das ist es, zum ersten Mal begriffen, warum Mädchen dumm genug waren, schwanger zu werden, weil man für ein derartiges Wohlgefühl einfach ein Risiko eingehen musste.
Sie konnte ihre Brustwarzen sehen, die sich nun deutlich unter dem Chiffon abzeichneten, und sie begehrte ihn so sehr, dass es ihr den Atem verschlug.
Genau in diesem Moment wurde ihr bewusst, dass er nicht ins Badezimmer kam.
Sie öffnete die Tür zu dem stockdunklen Schlafzimmer.
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