Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Briefen. Aber die Adresse stimmt nicht, es ist nicht dieselbe Adresse wie diese hier. Sie sind alle an das Postfach adressiert, das Tadellose Täuschung vorhin entdeckt hat. Genauso verhält es sich mit den Kleidungspaketen von J. Crew. Aber als ich den Rest der Briefe von der letzten Schachtel nehme …
Jemand hat das Päckchen bereits geöffnet. Und es stehen weder eine Adresse noch ein Absender darauf.
Ich werfe einen Blick in Richtung Schlafzimmer. Er telefoniert immer noch.
Ich klappe den Deckel auf und werfe einen Blick in die Schachtel. Ein glänzendes weißes Gesicht ohne Augen starrt zurück.
Ich zucke bei dem Anblick zusammen.
Eine Maske.
Es ist eine Gipsmaske. Weiß wie Kreide. Und sie sieht aus wie …
Es ist Abraham Lincoln.
Ich hole mein Telefon heraus und versuche, ein Foto zu schießen. Aber meine Hand zittert. Ich kann sie einfach nicht ruhig halten.
Ich werfe erneut einen Blick über meine Schulter. Marshall geht immer noch im Schlafzimmer auf und ab.
Mein Telefon imitiert das metallische Klacken einer alten Kamera, als ich das Bild schieße. Totte muss das sehen. Ich sende ihm das Foto mit einer Notiz: Gefunden in Marshalls Wohnung.
So schnell ich kann mache ich die Schachtel wieder zu und lege die Post zurück.
Ich habe keine Ahnung, warum Marshall eine Abraham-Lincoln-Maske haben sollte, aber angesichts dessen, dass wir nach John Wilkes B …
Hinter meiner Schulter höre ich ein leises, regelmäßiges Geräusch, als würde jemand atmen.
Ich brauche mich nicht einmal umzudrehen. Marshall steht unmittelbar hinter mir.
24. KAPITEL
Vier Tage früher
Ann Arbor, Michigan
Es gibt Momente, die das Leben eines Menschen vollkommen verändern. Bei einigen geschieht das schnell und brutal, zum Beispiel durch einen Autounfall. Bei anderen durch schlechte Nachrichten, die einem der Arzt mitteilt.
Clementine nahm an, dass es bei ihr der Moment war, als sie mit gekreuzten Beinen in ihrer kleinen Mietwohnung an ihrem Küchentisch saß, auf dem die Dokumente aus Nicos Akte ausgebreitet lagen.
Sie hatte die Akte vor etlichen Tagen zu Ende gelesen. Sie hatte kein Wort ausgelassen, keinen Bericht. Keine Beurteilung.
Sie hatte auch die Belobigungen gelesen, insgesamt sechs. In einer wurde ihr Vater als sachlich, fleißig und von makellosem Charakter beschrieben. Eine andere bezog sich auf seine Pflichterfüllung und merkte an, dass er Hunderte von Stunden gearbeitet hatte, obwohl er eigentlich krankgeschrieben war. In einer weiteren Beurteilung wurde angemerkt, dass Nico unschätzbare Hilfe geleistet hatte, als ein Feuer auf dem Stützpunkt ausgebrochen war.
Sie las auch die Briefe mit den vernichtenden Verweisen, die alle später gekommen waren, als das, was man ihm angetan hatte, schon lange vergessen war. Die Ärzte warnten vor unvermittelt langen Perioden des Schweigens und weiterhin vor seiner Missachtung der eigenen Sicherheit und der von anderen und schließlich vor seiner Aggressivität und der Unfähigkeit, seine Fantasiewelt von der Realität zu unterscheiden.
Aber obwohl Clementine immer und immer wieder durch den Aktenordner blätterte, fand sie nicht viel mehr als das. Sicher, die Akte zeigte ihr, dass ihr Vater, dass Nico drei Jahre früher zum Militär gegangen war, als seine offiziellen Unterlagen behaupteten. Und, ja, wenn sie das Puzzle richtig zusammenfügte, hatte er einen Teil dieserZeit bei der Navy verbracht, obwohl er eigentlich bei der Army gewesen war. Aber abgesehen davon gab es keine weiteren Unterlagen über diese ersten drei Jahre, auch nicht, als sie versuchte, den Ordner in chronologischer Reihenfolge neu zu sortieren. Alle Unterlagen waren verschwunden. Drei ganze Jahre – und sie hatte keinerlei Unterlagen darüber. Keine Belobigungen, keine Beurteilungen, keine Verweise, gar nichts.
Solange Clementine diese Jahre nicht aufschlüsseln konnte, würde sie niemals erfahren, was wirklich passiert war, würde nie wissen, was ihr Vater hatte durchmachen müssen. Und das Wichtigste war – vorausgesetzt, sie lag mit ihrer Vermutung richtig –, dass die Wirkungen der Experimente, die man an ihm durchgeführt hatte, auch sie betrafen. Sie würde niemals eine größere Chance bekommen, den Krebs besser zu verstehen, der sich im Augenblick durch ihren Körper fraß.
Sie sagte sich, dass sie davon nicht überrascht sein sollte. Was hatte sie denn erwartet? Dass der Präsident ihr mit einem tiefen Diener den noch rauchenden Revolver übergeben würde? Hier
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