Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
über Facebook Kontakt.«
»Dann weißt du ja auch, dass er deine Telefonnummer hat. Er hat sie mir gegeben und gesagt, ich solle dich anrufen. Mir war nicht einmal klar, dass du hier in Washington lebst.«
Ich nicke und werfe noch einmal einen Blick auf das 22 000-Dollar-Gemälde. »Marshall, du weißt aber schon, dass jemand in dieser Kirche ermordet wurde?«
»Das habe ich mir zusammengereimt, ja. Offenbar hat man mich deshalb verhaftet.«
»Was hast du eigentlich da gemacht?«
»Was macht man in einer Kirche, Beecher? Es ist fast der Todestag meiner Mutter. Du weißt genau, wie viel Gebete ihr bedeutet haben.«
»Du hast da gebetet?«
»Ich habe da gebetet.«
»Um zehn Uhr nachts?«
»Sie ist bis Mitternacht geöffnet. Offenbar arbeiten da etliche sehr religiöse Menschen auf der anderen Straßenseite.«
Die Geschichte ist perfekt konstruiert. Sie hat keine einzige Lücke. »Sie haben auch gesagt, dass du ein Paket mit alten Spielkarten bei dir gehabt hast. Nur das Pikass fehlte.«
»Ich habe immer welche bei mir. Ich reise viel. Und sie sind gut für Patiencen. Solitär.«
»Und das Pikass?«
Ohne Vorwarnung klopft er sich auf seine Hosentaschen. Aus einer zieht er eine Schachtel mit Spielkarten heraus und wirft sie mir zu. Aus der anderen zieht er sein Telefon. Ich höre es weder klingeln noch vibrieren, aber er wirft einen Blick auf den Bildschirm, und ganz offensichtlich handelt es sich um einen Anruf, den er nicht verpassen will.
»Beecher, du musst mich einen Moment entschuldigen. Ich muss das Gespräch annehmen.« Während er zum Schlafzimmer zurückgeht, sagte er ins Telefon: »Marshall …«
Er schließt die Tür leise hinter sich und lässt mich allein in der Küche zurück.
Ich betrachte die Spielkarten. Die Schachtel ist angegilbt und wurde offenbar häufig benutzt. Auf ihrer Rückseite befindet sich ein klassischer handgemalter amerikanischer Adler mit ausgebreiteten Schwingen. Aber statt den Kopf hochzuheben, duckt sich der Adler und senkt den Kopf, als wollte er in etwas hineinbeißen.
Ich werfe einen Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür. Darunter sehe ich seinen Schatten. Marshall geht hin und her. Mit wem auch immer er gerade spricht, er ist vollkommen darauf konzentriert.
Bevor ich es mir anders überlegen kann, gehe ich zum nächsten Schrank. Als wir Kinder waren, hatte Marshalls Dad all seine Medikamente in den Küchenschubladen aufbewahrt, damit er sie von seinem Rollstuhl aus erreichen konnte. Wenn ich Glück habe, macht Marshall vielleicht dasselbe. Aber als ich die Schubladen durchsuche, finde ich in einer das Besteck, in einer anderen Spatel und Holzlöffel. Nichts Erwähnenswertes.
Dasselbe bei den Hängeschränken. In dem ersten stehen Teller, Schüsseln, Tassen und Gläser.
In den anderen finde ich Weingläser, Kaffeebecher, ein paar Thermosflaschen und -becher; aber auch hier entdecke ich nichts Ungewöhnliches. Die Becher sind alle vollkommen schlicht, ebenso die Thermosbecher. Keine Schul-Logos, Mannschafts-Logos, Firmen-Logos … Gar nichts. Und ich frage mich zum zweiten Mal, ob dieser sterile Ort wirklich ein sicheres Haus ist.
Aber als ich den größten Schrank aufmache, der fast aussieht wie eine Speisekammer, sehe ich als Erstes große Kartons mit Frühstücksflocken.
Ich überfliege schnell den Inhalt der Kartons. Natürlich gibt es keine Lucky Charms mehr. Jetzt ist alles auf Gesundheit getrimmt. Rosinenkleie … Spezial K und eine von diesen schicken Vollwertflocken, die man in Bioläden kaufen kann. Ich erinnere mich wieder an das Baumhaus … und unsere ganzen Verstecke für all die Nacktfotos.
Ich schnappe mir die Schachtel mit der Rosinenkleie und reiße sie auf. Nichts. Ebenso wenig fündig werde ich bei Special K. Und auch bei den schicken Vollwertflocken verhält es sich so. Nichts und wieder nichts.
Ich schließe die Schränke wieder und drehe mich zum Schlafzimmer herum. Marshall läuft immer noch auf und ab. Ich habe noch Zeit für einen letzten Versuch.
Rechts von mir, wo Schränke in L-Form um die Ecke führen, befindet sich ein Teil des Tresens, der wie ein Schreibtisch gebaut ist, nur ohne Schubladen. Dort hat Marshall seine Schlüssel hingelegt. Außerdem liegt ein ordentlicher Stapel von Briefen darauf und ein paar Kartons von J. Crew.
Ich werfe das Kartenspiel auf den Tresen und sehe rasch die Post durch. Die Stromrechnung, irgendeine Werbung für eine Weinprobe, Coupons von Wurfsendungen … Sein Name steht auf allen
Weitere Kostenlose Bücher