Der fünfte Attentäter: Thriller (German Edition)
Kindern. Washington hatte nie Kinder.
Er hatte Hunde.
Laut seinen Tagebuchaufzeichnungen wollte er einen ganz besonderen Hund, einen, der schnell war, sensibel und klug. Und er schaffte es auch. Indem er Hunde, ein Geschenk der Franzosen, mit einer Rasse von schwarzbraunen einheimischen Hunden kreuzte.
Er erschuf den amerikanischen Foxhound. Die ultimative Jagdmaschine.
In seinen Tagebüchern hat er mehr als dreißig Hunde aufgeführt, mit Namen wie Drunkard, Tipsy, Sweet Lips und natürlich …
Jupiter.
Ich drücke mit dem Daumen auf den Touchscreen, auf dem eine Karte erscheint. Symbole zeigen den Kreisverkehr und die Memorial Bridge. Der winzige grüne Punkt repräsentiert mich. Es gibt auch einen roten Punkt. Das ist der SUV.
Als ich in seiner Wohnung war, hat sich Marshall offenbar meine Brieftasche geschnappt, um mein Leben durchzuwühlen. Aber als wirin seiner Garage waren und ich in seinem SUV saß, habe ich einen kleinen Sender in das Plastikfach auf der Beifahrertür fallen lassen.
Marshall ist gerissen. Und zwar eindeutig gerissener als ich, jedenfalls bei dieser Sache hier. Aber er ist nicht cleverer als der Culperring.
Laut dieser Karte fährt er zur Key Bridge, in Richtung Georgetown.
Als ich klein war, hat meine Mutter mir gesagt, ich sollte erst aufstehen, wenn ich ein Gebet für etwas gesprochen hätte, wofür ich dankbar wäre. An diese Regel halte ich mich bis zum heutigen Tag. Gott segne GPS. Und Jupiter, die ultimative Jagdmaschine.
Nach zehn Minuten sehe ich, wo er anhält.
Ob du bereit bist oder nicht, Marshall, ich komme.
29. KAPITEL
St. Elizabeths Krankenhaus
Washington D. C.
» Lass nicht zu, dass sie dich einsperren, Nico« , warnte ihn die tote First Lady.
Nico nickte ihr zu und spähte auf den Boden des gepflasterten Hofes, in dem hellbraune Ziegelsteine ein rundes Labyrinth bildeten.
»Das ist also ein Irrgarten?«, erkundigte sich Nico. Sein Buch mit der Pik Zehn als Lesezeichen hatte er sich fest unter die Achselhöhle geklemmt.
»Das ist kein Irrgarten. Es ist ein Labyrinth«, antwortete Schwester Karina, eine kleine Asiatin mit einer schicken schwarzen Brille und vollkommen glatter Haut. Sie deutete mit ihrem Klemmbrett auf die Steine. »Kennst du den Unterschied zwischen einem Irrgarten und einem Labyrinth?« Sie wusste, dass sie Nico nicht mit Problemen belasten sollte, die er nicht lösen konnte, deshalb fuhr sie rasch fort. »Ein Irrgarten soll ein Hindernis sein, mit Sackgassen und falschen Abzweigungen. Ein Labyrinth bietet dir einen zwar verschlungenen, aber vollkommen freien Weg bis in seine Mitte und wieder zurück.«
»Also hätte ein schlechtes Krankenhaus einen Irrgarten?« Nico betrachtete immer noch das breite runde Labyrinth, das, das eindeutig aussah wie ein sieben Meter breiter Irrgarten.
»Ja, ein schlechtes Krankenhaus hätte einen Irrgarten. Zum Beispiel das aus Shining ist ein Irrgarten. Wir dagegen haben ein Labyrinth. Das ist sehr therapeutisch. Möchtest du jetzt damit anfangen?«
Nico wollte mit gar nichts anfangen. Es war kalt hier draußen, und obwohl der Hof überdacht war, gefiel ihm die Kälte nicht. Aber dafür gefiel ihm Schwester Karina. Sie sah ihm immer direkt in die Augen. Die meisten Pfleger und Schwestern taten das nie.
»Soll ich hier anfangen?« Nico betrat das Labyrinth.
»Ich kann dein Buch für dich festhalten. Wenn du möchtest«, bot Karina an.
Zunächst zögerte Nico. Dann sah er jedoch ihre ausgestreckte Hand und den hellen, pinkfarbenen Nagellack auf ihren dünnen krummen Fingern. Seine Mutter hatte auch solche Finger gehabt.
»Ich will es wiederhaben, wenn ich fertig bin«, sagte Nico und gab Karina das Buch. Sie schenkte ihm dafür ein kleines Lächeln.
Er vertraute ihr. Jedenfalls genug, dass er ihr das Buch gab und in das Labyrinth trat. Aber als er seine ersten Schritte um den äußeren Rand des Kreises machte, bemerkte Nico das Fenster mit dem Isolierglas, das auf den Hof hinausblickte. Durch das Fenster konnte er in einen Pausenraum blicken, wo eine Gruppe von Bauarbeitern die Lokalnachrichten sah. In St. Elizabeths erlaubten sie Nico nie, die Nachrichten zu sehen.
»Damals, während der Kreuzzüge, bedeutete ein Gang durch ein Labyrinth eine Pilgerreise ins Heilige Land. Für viele Menschen sind Labyrinthe immer noch heilige Orte«, setzte Karina hinzu. Sie wusste, dass Nico immer gut auf religiöse Anspielungen reagierte.
Nico achtete kaum auf ihre Worte. Er folgte dem Zickzackkurs des
Weitere Kostenlose Bücher