Der Fürst der Maler
porträtiert werden«, forderte er.
Mit schnellen Strichen warf ich sein schönes Gesicht auf das Papier, schraffierte die Kleidung. Dann reichte ich ihm die Skizze.
»Du hast mich nicht als Herzog gemalt, sondern als Bettler«, protestierte er. »Und du willst mein Freund sein?«
Eines Tages würde ich sein einziger Freund sein! Aber wie konnten wir das an jenem Abend ahnen?
»Maître Raphaël le Saint?« Monsignor Paris de Grassis, der französische Zeremonienmeister des Papstes, hatte den Saal der Engel betreten und unterbrach das betretene Schweigen.
»C’est moi, Monseigneur!« , antwortete ich und erhob mich.
Ein freundliches Lächeln huschte wie ein Sonnenstrahl über sein Gesicht. »Ihr sprecht eine zivilisierte Sprache, Monsieur le Saint! «, rief er mit einem Seitenblick auf Giovanni de’ Medici und Alessandro Farnese aus. »Die meisten Kardinäle sprechen nur Italienisch und gerade so viel Latein, dass sie die Evangelien zitieren können.«
Paris de Grassis war ein Mann, den man eher als Mönch in einem Kloster vermuten würde als in einem der höchsten Ämter des Vatikans. Man nannte ihn den ›Torturmeister des Papstes‹, weil er sogar auf den Feldzügen Seiner Heiligkeit auf dem Zeremoniell bestand. Auch mit dem Papst selbst ging er streng ins Gericht, wenn Julius hin und wieder versuchte, ihm zu entwischen.
»Mein Latein reicht aus für eine philosophische Diskussion«, versicherte ich ihm lächelnd.
» Très bon, Maître. Seine Heiligkeit unterhält sich am liebsten auf Latein. Er hat mich gebeten, Euch zu ihm zu bringen, sobald die Besprechung mit Seiner Exzellenz beendet ist.«
Ich empfahl mich höflich der Herzogin Elisabetta und ihren Gästen und folgte Monsignor de Grassis durch die Säle des Palazzo Ducale, während er mir erklärte, wie ich mich in Anwesenheit des Papstes zu verhalten hätte. »Die Zeremonie sieht vor, dass Ihr Euch mit aller gebührenden Ehrerbietung vor Seiner Heiligkeit verneigt, wenn Ihr den Saal betretet, und vor ihm auf die Knie fallt, um ihm den Fuß zu küssen. Erheben dürft Ihr Euch, wenn Seine Heiligkeit Euch dazu auffordert. Sprechen werdet Ihr erst, wenn Seine Heiligkeit geruht, Euch anzusprechen. Wenn die Audienz beendet ist, wird er Euch das wissen lassen. Dann verlasst Ihr rückwärts gehend den Saal.«
Wir waren am Portal des Audienzsaals angekommen. De Grassis öffnete leise die Tür und schob mich in den Raum.
Er war allein.
Der Raum wurde von zwei Kerzen vor dem Andachtsbild erhellt. Julius kniete auf dem Betstuhl vor der kleinen Marmorkapelle des Herzogs, den Kopf auf die gefalteten Hände geneigt, die Augen geschlossen, als ob er, von der langen Reise und den offiziellen Empfängen erschöpft, eingeschlafen wäre. In tiefer Kontemplation betete er zu seinem Gott. Julius’ asketisches Gesicht war von tiefen Falten zerfurcht – sein langer Bart gab ihm das majestätische Aussehen eines Propheten aus dem Alten Testament. Seine Rüstung hatte er abgelegt. Er trug nun den weißen Habit des Papstes und die rote Mozzetta, den Schulterumhang mit Hermelinbesatz. An der Hand auf dem Betstuhl funkelte der Smaragdring des Menschenfischers.
»Euer Heiligkeit?« Er hatte mich nicht gehört, und so sprach ich etwas lauter: »Heiliger Vater?«
Er zuckte zusammen und öffnete die Augen. Ein Ruck ging durch seinen hageren Körper, er richtete sich auf, seine Hand flog zum Dolch unter der Mozzetta. Als er mich erkannte, ließ er die Hand sinken und erhob sich aus seiner knienden Position.
»Ihr habt mich rufen lassen, Heiliger Vater«, erinnerte ich ihn.
Er streckte die Hand aus, und ich kniete vor ihm nieder, um den Ring zu küssen. »Der Empfang vor den Stadttoren von Urbino hat Uns beeindruckt: Petrus und Paulus öffnen Uns die Stadttore! Ein genialer Einfall! Wir wollen dich kennen lernen. Wir haben schon viel von dir gehört – und jeder hat Uns etwas anderes über dich erzählt.« Er entzog mir seine Hand. »Unser Neffe Francesco liebt dich wie einen Bruder. Seine Gemahlin Eleonora liebt dich ebenfalls – aber nicht wie einen Bruder …«
»Heiliger Vater, Eleonora und ich …«
»Dein Sohn Luca betet dich an«, unterbrach er mich. »Er hat heute Nachmittag während der Empfänge gebrüllt wie ein Condottiere. Nichts hat ihn beruhigen können, bis du ihn auf den Arm nahmst. Sofort war er still!
Meine Tochter Felice hasst dich. Wie eine Furie kam sie nach ihrer Rückkehr aus Urbino in den Vatikan gerauscht. Ihre Verwünschungen haben einigen
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