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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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neben mich. »Geh!«, flüsterte sie.
    Wie gelähmt sah ich ihr zu, wie sie das Band meines Hemdes schloss und mir meine Jacke aus schwarzem Atlas reichte, die sie vom Stuhl genommen hatte.
    »Geh!«, wiederholte sie. Dann küsste sie mich zärtlich.
    Gianni sah verlegen in eine andere Richtung.
    »Ich komme zurück«, versprach ich Felice zwischen zwei Küssen.
    »Versprich mir nichts, was du nicht halten kannst«, lächelte sie mit Tränen in den Augen. Sie ging, bevor ich antworten konnte.
    Gianni begleitete mich in den Palazzo del Belvedere. Wir galoppierten durch die Weingärten des Pincio, ritten beinahe die Wachen in der Porta Flaminia um, die uns am Stadttor aufhalten wollten, trabten ungeduldig zwischen den langsamen Ochsenkarren auf der Via di Ripetta hindurch, überquerten den Tiber auf dem Ponte Elio, galoppierten die Via Alessandrina entlang, sodass etliche Pilger, die auf dem Weg zur Baustelle von San Pietro waren, aus dem Weg springen mussten. Gianni und ich umrundeten die gigantische Baustelle und ritten durch das Heckenlabyrinth des Belvedere hinauf zum Palazzo, in dem Donato und Leonardo wohnten. Im Cortile sprang ich aus dem Sattel und stürmte die Treppen hinauf.
    Ein Diener öffnete mir die Tür zu Donatos Schlafzimmer.
    Leonardo saß auf dem Rand des Bettes und hielt die Hand seines alten Freundes. Er war den Tränen nah. Giuliano da Sangallo lehnte am Fenster, sein Neffe Nino war bei ihm. Auf einem Sessel neben dem Bett saß Giovanni. Er trug noch den Ornat, in dem er die Karfreitagsmesse gelesen hatte, als er von Donatos Zusammenbruch erfuhr. Er war offensichtlich von der Sixtina in den Belvedere geeilt, um seinem Baumeister in den letzten Stunden beizustehen.
    »Raffaello«, hauchte Donato. »Mein lieber Junge.«
    Leonardo machte mir Platz auf dem Rand des Bettes. Ich ließ mich auf dem Laken nieder und nahm Donatos Hand. »Onkel Donato! Wie geht es dir?«
    »Schon bald wieder besser, mein Junge. Schon sehr bald«, lächelte Donato. »Es wird nicht mehr lange dauern.«
    Er wusste, dass er starb. Und es machte ihm weniger aus als uns anderen, die wir an seinem Sterbebett verharrten.
    »Du bist mein lieber Junge«, murmelte Donato undeutlich. »Der Einzige, der immer an meiner Seite stand, wenn ich mit Giuliano, mit Nino, mit Michelangelo gestritten habe. Du bist der Sohn, den ich nie hatte. Du sollst auch mein Erbe sein.«
    »Donato, ich …«
    »Ich war es, der Julius auf dein Talent aufmerksam gemacht hat. Ich war es, der dich von Florenz nach Rom geholt hat. Ich war es, der dich die Kunst der Architektur gelehrt hat. Ich will, dass du mir nachfolgst.«
    »Ich verstehe nicht …«
    »Ich will, dass du Baumeister von San Pietro wirst«, erklärte Donato so laut, dass Giuliano und Nino da Sangallo seine Worte nicht überhören konnten. Und der Papst auch nicht.
    Giuliano und Nino sahen mich betreten an. Enttäuscht. Zornig? Giuliano war Donatos Schüler gewesen. Er hatte wegen seiner jahrzehntelangen Erfahrung als Architekt in Florenz und Rom offensichtlich damit gerechnet, vom Papst die Bauleitung der größten Kathedrale der Welt zu erhalten. Er war ein Schüler von Bramante! Die Bauleitung wäre die Krönung seiner Karriere gewesen.
    Donato sah mein Zögern. Mit letzter Kraft ergriff er meine Hand. »Versprich mir, mein Sohn, dass du die schönste Kirche der Welt bauen wirst.«
    Ich holte tief Luft, rang um Atem. Es war, als sollte ich ersticken. An der Verantwortung, die mir den Atem nahm. An Giulianos tiefer Enttäuschung. An Ninos gescheiterten Hoffnungen. Ich brauchte sie beide: Allein konnte ich es niemals schaffen!
    Giuliano und Nino verließen schweigend den Raum und schlossen die Tür hinter sich.
    Donato beobachtete ihr Gehen, dann sah er mir ins Gesicht. »Versprich es mir, Raffaello«, forderte er atemlos. Er richtete sich mühsam auf.
    Sanft drückte ich ihn in die Kissen zurück. »Ich verspreche es dir, Onkel Donato«, sagte ich leise. »San Pietro wird die schönste Kirche der Welt.«
    Er schloss die Augen. »Außerdem vermache ich dir mein gesamtes Vermögen. Meine Palazzi in Rom, Urbino und Mailand, meine antike Statuensammlung, mein Vermögen …« Er hustete, rang um Atem. »… mein Vermögen von rund fünfzigtausend Dukaten.«
    Donato hatte gelebt wie ein Fürst und gearbeitet wie ein Sklave. Doch was nützte es ihm am Ende? Er starb viel zu früh, bevor er das vollenden konnte, was sein Lebenswerk geworden war.
    Seine letzten Worte waren: »Ich war, was du bist, du

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