Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
Bordell bekannt, das kostspieliger war. Es stand in Versailles und wurde von Madame Chrysantheme geführt. Beiden Häusern war eines gemeinsam: Sie boten genügend Zerstreuung, um einen jungen Werwolf von seinen Rachegedanken abzubringen.
„Dann warst du also schon einmal hier“, folgerte Juvenal.
„Bei Lilian Prescott? Selbstverständlich nicht.“
Es war ebenso wenig selbstverständlich wie das aufrichtige Entsetzen, das Grishan packte. In seinem Alter wurden Alphawölfe von solchen Häusern regelrecht angezogen und hatten längst erste Erfahrungen mit den unterschiedlichsten Spielarten der Liebe gemacht.
Grishan nestelte an seinen Spitzenmanschetten und zog die Brauen zusammen. Ein Lächeln ließ seine Zähne aufblitzen. „Ach so, jetzt verstehe ich. In einer solchen Umgebung findet ein Vampir genügend Nahrung und bleibt unauffällig. Deswegen sind wir hier.“
Heiliger Hundehaufen, das ließ sich denkbar schlecht an. Ohne den Irrtum aufzuklären, betätigte Juvenal den Türklopfer. Der Griff schlug gegen einen Frauenhintern aus Messing. Als sich die Tür öffnete, flutete Licht über die flachen Stufen und wurde kurz darauf von einer wuchtigen Gestalt abgeschnitten. Auf der Schwelle stand dasselbe Narbengesicht, das Juvenal bei seinem letzten Besuch geöffnet hatte. Nur um etwa zwanzig Jahre älter geworden. Obwohl viel Zeit vergangen war, erkannte der Türsteher ihn auf Anhieb.
„Willkommen im Reich der Nymphen, Sir.“
Das von Goldzähnen gespickte Lächeln entlockte Grishan ein rumpelndes Grollen. Narbengesicht trat beiseite und hielt gleichzeitig die Hand auf. Im Eintreten legte Juvenal eine Geldbörse in die schwielige Handfläche.
„Hör auf mit diesem Gurgeln“, wisperte er Grishan zu.
„Der Kerl stinkt nach Gewalt.“
Juvenal strafte ihn mit einem warnenden Blick. Dieses kranke Knurren war eine Beleidigung für jedes Wolfsohr. Viel hatte Grishan in den Jahren bei Gilian wahrlich nicht gelernt. Provoziert von den weinroten Tapeten und Teppichen trat Grishan von einem Fuß auf den anderen. Bis er die Gemälde in leuchtenden Fleischfarben an den Wänden entdeckte. Prompt stand er still. Sein Adamsapfel hüpfte.
„Das sind nackte Frauen“, raunte er aus dem Mundwinkel, als wäre Juvenal mit Blindheit geschlagen.
„Du wirst wohl schon nackte Haut gesehen haben, Junge.“
Wieder schluckte Grishan und glotzte aus großen Augen die Bilder an. Natürlich dienten sie dem Ergötzen der Gäste, aber selten fielen diese dabei in eine Schockstarre. Juvenal unterdrückte seinen Schluckreiz. Er war fest davon ausgegangen, dass Grishan nackte Frauen sowohl gesehen als auch berührt hatte. Aber nein, der Junge war ganz offensichtlich so unschuldig wie ein frisch gefallenes Schneeflöckchen. Ein jungfräulicher Werwolf. Prächtig.
Narbengesicht läutete feixend ein Goldglöckchen. Auf das helle Klingeln kamen zwei Nymphen aus einem Hinterzimmer. Sie verdienten diesen Namen. Der durchscheinende Stoff ihrer Gewänder überließ wenig der Fantasie. Zarte Glieder mit straffer Haut. Schmale Taillen und große, feste Brüste. Echte Blumen schmückten ihr offenes Haar. Obwohl sie reizend und appetitlich waren, verspürte Juvenal lediglich Verdruss. Kurzzeitiges Vergessen, mehr boten sie nicht. Ihm stand der Sinn eher nach einem guten Glas Port, das er sich genehmigen wollte, während Grishan seine Jungfräulichkeit verlor.
„Das sind Louisa und Irma, Sir“, stellte Narbengesicht die beiden vor.
Mit geblähten Nasenflügeln witterte Grishan. Er war beeindruckt. Schön. Juvenal war so erleichtert, dass er sich großzügig zeigte.
„Sie sind beide für dich“, sagte er.
„Aber wir suchen doch hier nach Branwyn!“, fuhr Grishan auf.
„Nein, wir sind deinetwegen hier.“
„Ich wollte gar nicht hierherkommen!“
Allmählich wurde es zu viel. Juvenal lehnte sich zur Seite und zischte durch den Mundwinkel. „Ein Großteil deiner Widerborstigkeit rührt von unausgegorenen Säften. Diese jungen Grazien werden sie ins Gleichgewicht bringen. Und danach, ich garantiere es dir, wird es dir besser gehen.“
Helle Empörung setzte rote Flecken auf Grishans Wangenknochen und brachte eines der Mädchen zum Kichern. „Ich will das nicht!“, blaffte er.
Auch Juvenal verzichtete auf diskrete Lautstärke. „Du hast absolut keine Ahnung, wovon du sprichst!“
Der Junge schüttelte verstockt den Kopf. Eines der Mädchen trat auf ihn zu und ergriff seine Hand.
„Wir machen Euren Aufenthalt zu einem
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