Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
ein Angebot, Berenike. Branwyn wird weiter nach dir suchen. Er hat dich angegriffen, es kann jederzeit ein zweites Mal geschehen, und so wie es aussieht, bist du ihm nicht gewachsen. Ich bin bereit, für deine Sicherheit zu sorgen. Im Gegenzug wirst du mir helfen, ihn aufzuspüren.“
Ihr Honigteint wurde dunkler. Röte wanderte von ihrem Gesicht zu ihrem Hals und floss in ihr tiefes Dekolleté. Wohlweislich hatte Juvenal vermieden, einen genaueren Blick auf ihre hohen Brüste zu werfen. Doch nun hoben sie sich ihm in einem tiefen Atemzug entgegen und lenkten sein Augenmerk unweigerlich darauf. Perfekte, volle Wölbungen. Ein drängendes Bohren setzte in seinem Unterleib ein. Ein nagender Hunger, sie zu berühren. Er könnte sie noch einmal küssen, tief und lang, bis ihre Knie nachgaben. Oder seine.
„Gibt es in dieser verdammten Stadt auch nur eine Person, die mir kein Angebot machen will?“, fauchte sie. „Scheinbar bin ich für jeden nur eine Schachfigur auf einem läppischen Spielbrett.“
Reste ihres Fliederparfüms stiegen in seine Nase, als sie dicht vor ihn trat. Darunter war ihr Eigengeruch stärker geworden. Berauschend in seiner Süße. Weitaus weniger berauschend waren ihre Fänge. In einem Reflex hob er den Arm, um seine Kehle zu schützen. Auf ihre Reißzähne konzentriert, die gefährlich nah waren, übersah er ihre Hand. Anstelle eines offenen Angriffs auf seinen Hals setzte sie auf einen tückischen Anschlag auf seine Weichteile. Heilige Hundesch… Ihr eiserner Zugriff hätte ihm einen Schrei entrissen, doch der Schmerz schlug sich auf seine Stimmgewalt nieder und drückte ihm obendrein die Augen aus dem Kopf. Lautlos klappte er zusammen. Während er rückwärtstaumelte, presste er die Hände zwischen die Beine. Die Wand in seinem Rücken hielt ihn aufrecht. Er tat einen mühsamen Atemzug. Dann den nächsten. Agonie strahlte von seinem Unterleib in den Körper aus, brachte jede Faser zum Singen. Es schien eine Ewigkeit, bis der Schmerz nachließ und sich der Nebel vor seinen Augen hob. Der Speicher war verlassen, Berenike getürmt. Fluchend stolperte er auf die Stiege zu. Diesen perfiden Übergriff würde sie bitter bereuen. Noch hing ihr widerwärtiges Parfüm in der Luft. Die Stufen nach unten kamen ihm bedenklich steil vor, da seine Knie so weich waren wie zerkochte Schweineschwarten. Er humpelte durch das Treppenhaus nach unten. Dieses intrigante Weib war zu nützlich, um es entwischen zu lassen. Er brauchte sie. Sie war der perfekte Lockvogel für Branwyn, und wenn er Gewalt anwenden musste, um sie gefügig zu machen. Er kannte keine Gnade mit Weibern, die seine Eier quetschten. Auf der Straße atmete er tief durch. Der Schmerz war zu einem erträglichen Pochen geschrumpft. Er witterte eine schwache Spur und nahm die Verfolgung auf. Bei ihrem nächsten Aufeinandertreffen würde er nicht lange mit sich reden aufhalten.
Bei jedem Schritt spürte Berenike ihren Herzschlag. Dieses Pochen in Hals und Schläfen war eine neue und unangenehme Erfahrung, denn bis zu dieser Nacht hatte ihr Herz stets leicht und gleichmäßig in der Brust geschlagen. Dabei war ihre Aufregung maßlos übertrieben. Gut, in ihrer Flucht lag wenig Ruhmreiches, aber sie war Branwyn und Juvenal entkommen. Nur das zählte nach den katastrophalen Ereignissen dieser Nacht. Sie war von einem Werwolf geküsst und von einem Vampir verschleppt worden. Es blieb nur ein Ausweg. Ohne weiteren Verzug musste sie London verlassen und untertauchen, ehe einer von ihnen sie für ihre Zwecke einspannte.
Beide konnten sich zu einer ernsthaften Gefahr auswachsen. Branwyn durch seine emotionslose Grausamkeit und sein Streben nach einer neuen Dynastie ebenso wie Juvenal, mit den aus kalter Ruhe gemeißelten Gesichtszügen und seinem Verlangen nach Vergeltung. Wohin sollte sie sich wenden, um vor ihnen sicher zu sein? Mitleid aus den Reihen der Lamia durfte sie nicht erwarten. Weshalb sollten sie einer Ewigen mit offensichtlichen Schwächen Schutz bieten? Sie konnte niemanden um Unterstützung bitten. Außer vielleicht ihren Bruder. Was immer sie Mica vorwerfen wollte, er hatte ihr in Rom sein Blut geboten und sie vor dem Giftbiss ihrer Mutter bewahrt. In seinem Haus in Paris wäre sie fremden Zugriffen entzogen. Aber welche Schmach lag darin, ausgerechnet bei ihm Zuflucht zu suchen.
In ihre Überlegungen versponnen betrat sie das schmale Haus in der Curzon Street. Die Stunde vor Sonnenaufgang tünchte das Vestibül in fades Grau und
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