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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Sturzbächen über die Wangen liefen.
    »Die Welt geht unter! Ich brauche das nicht mehr!« schrie sie immerzu und schüttete den Inhalt ihres Sparstrumpfs auf die Straße. Sofort begannen sich einige Männer um die Münzen zu balgen. Tobias und Heine wurden von der Menschenmasse vorwärts getrieben. Dabei kamen sie an vier Plünderern mit Äxten vorbei, die die Türen und Fenster eines Juweliergeschäfts eingeschlagen hatten und schubladenweise wertvollen Schmuck auf die Straße schafften. Endlich gelangten die beiden auf die Holzbrücke, die über das Fleet führte. Auf dem Wasser des Kanals spiegelte sich der Feuerschein der brennenden Gebäude. An schwelenden Trümmern vorbei versuchten Ewerführer ihre Boote in Sicherheit zu bringen, Anwohner kippten Möbel aus den Fenstern und nicht weit einer Schutenspritze, auf der eine Löschmannschaft verzweifelt Wasser in die Flammen pumpte, trieb eine verbrannte Leiche.
    Tobias hatte Mühe, sich von all den dramatischen Szenen ringsum abzuwenden. Doch Heine kannte kein Erbarmen. Immer wieder stieß er ihn vorwärts, bis sie endlich einen Straßenzug erreichten, wo Soldaten des Stadtmilitärs standen und für ein Mindestmaß an Ordnung sorgten. Die Militärs hatten mitten auf der Straße eine Kanone in Stellung gebracht, offenbar zu dem Zweck, die hinter ihnen liegende Brücke nötigenfalls in Trümmer zu schießen, sollte das Feuer auch auf sie überspringen.
    Die beiden Schicksalsgefährten hasteten weiter, und so wurde Tobias Zeuge weiterer bewegender Schicksale. Inmitten der Menge trugen vier Männer einen Sarg auf den Schultern. Offenbar wollten sie einen kürzlich verstorbenen Familienangehörigen vor den Flammen in Sicherheit bringen. Nicht weit von den Männern entfernt stand ein kleines Mädchen am Straßenrand, das überglücklich einen Hund mit versengtem Fell in Empfang nahm. Jaulend leckte er ihr über das Gesicht. Nur eine Gasse weiter trug eine Familie ein ganzes Bett in Sicherheit, auf dem ein gebrechlicher alter Mann lag. Auch skurrile Szenen spielten sich ab. Ein dunkelhaariger Mann um die Vierzig schob einen Karren an ihnen vorbei, der randvoll mit Möbeln und anderen Wertgegenständen beladen war. Obenauf stand ein Käfig mit einem krächzenden Papagei, der ständig »Spitzbube!« rief. Kurz darauf wurde der Mann von zwei anderen zu Boden gerissen, die den Rufen des Papageis gefolgt waren. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei ihnen um die eigentlichen Besitzer der Ladung. Und als wäre all dies noch nicht genug des Irrsinns, hatten sich auf einem Balkon über ihnen drei pausbackige Frauen aufgestellt, die voller Inbrunst ein frommes Lied angestimmt hatten:
     
    »Wachet auf, erhebt die Blicke,
    Seht, gekommen ist die Stunde,
    die mahnen uns, die Weltgeschicke,
    es uns vereint zu schönem Bunde,
    zu dränget hart der Brüder Not!
    Lasst tun, was uns der Herr gebot …«
     
    Nach einer Zeit, die Tobias unendlich lang vorkam, erreichten sie eine Straße mit vornehmen Gebäuden. Überall drängten sich Schaulustige, die den Brand mit eigenen Augen sehen wollten.
    »Wir sind da!« erklärte Heine und riss Tobias aus seinen Gedanken. Tatsächlich, neben dem Eingang zu einem Gebäude, das unmittelbar an einer Straßenecke gelegen war, prangte ein Messingschild, das auf die Praxis eines gewissen Doktor Jean François de Lagarde aufmerksam machte. Neben dem Namen war der Äskulapstab mit der gewundenen Schlange zu erkennen. Welch ein Hohn! schoss es Tobias durch den Kopf, wenn er an die bestialischen Experimente dachte, die dieser Arzt insgeheim durchführte.
    Zornig griff er nach dem Griff des Floretts, das er eingewickelt in einem Laken bei sich trug, und folgte Heine durch die Menschenmasse hindurch zum Hauseingang. Der Dichter sah sich um und zögerte, die Türschelle zu betätigen. Doch in diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und eine Frau trat heraus, die einen kleinen Jungen hinter sich herzog. Heine und Tobias grüßten knapp und eilten an ihr vorbei in ein großes Treppenhaus.
    »Die Praxis muss sich oben befinden«, murmelte der Dichter mit Blick auf die beiden Wohnungstüren im Erdgeschoß. Auch dort waren elegante Messingschilder angebracht, die allerdings andere Namen trugen. Mit zusammengebissenen Zähnen eilte Heine die Treppe hinauf in den ersten Stock. Ihm war anzusehen, dass ihm der Streifschuss am Arm noch immer zu schaffen machte. Mit einem Kopfnicken machte er Tobias auf den Eingang zu de Lagardes Praxis aufmerksam.
    Der

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