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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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lauschte an der Tür, doch bis auf das Treiben auf der Straße vor dem Haus war nichts zu hören. Nachdem er noch einmal einen misstrauischen Blick ins Treppenhaus geworfen hatte, bedeutete Tobias Heine, ihm das Brecheisen zu reichen. Wenige Augenblicke später hatte er die Tür aufgebrochen.
    Heine zückte seine Pistole – und gemeinsam drangen sie in die Räume ein. Alles war ruhig. Der Warteraum für die Patienten gleich gegenüber der Eingangstür war bis auf ein paar leere Stühle unmöbliert, und so wandten sie sich dem langen Flur zu, der tiefer in die Wohnung hineinführte.
    »Scheint so, als sei der Vogel ausgeflogen«, murmelte Tobias. Vorsichtshalber versperrte er den Zugang zum Treppenhaus und folgte Heine mit erhobener Klinge. Der schritt bereits den Flur ab und spähte vorsichtig in die anderen Räume.
    Zuerst durchsuchten sie das gediegen eingerichtete Behandlungszimmer, dessen auffälligster Einrichtungsgegenstand ein bis knapp unter die Decke reichender Medizinschrank mit zahlreichen Apothekerflaschen war. In diesem Raum roch es nach Alkohol und Nelkenöl. In einer Blechschüssel neben dem Behandlungsstuhl lagen zwei klobige Glaskolbenspritzen, auf einem Regal an der Wand gaben sich ein emaillierter Klistierbehälter, ein Messingmörser und ein Mikroskop ein Stelldichein, und auf dem Arbeitstisch darunter hatte de Lagarde eine Feinwaage und einen medizinischen Kopfspiegel abgestellt. Auch in den anderen Räumlichkeiten fanden sie nichts, was nicht in eine Arztpraxis gehört hätte.
    Am Ende des Flurs gelangten sie in die private Wohnung de Lagardes. Dort durchwühlten sie das zu einem Hinterhof führende Schlafzimmer des Arztes, schauten sich, nachdem sie nichts Auffälliges gefunden hatten, flüchtig in Küche und Wohnzimmer um und erreichten dann eine gut ausgestattete Bibliothek mit angegliedertem Arbeitszimmer. Hier roch es nach altem Leder und staubigem Papier. Zu Tobias’ Enttäuschung waren die meisten Schriften auf französisch verfasst, was ihn vor einige Problemen stellte. Nicht so Heinrich Heine. Der schritt die Regalreihen ab und blieb vor einen schmalen Bücherschrank mit besonders alten Folianten stehen. Er stieß einen leisen Pfiff aus.
    »Wenn Sie hier medizinische Literatur erwartet haben, muss ich Sie enttäuschen«, erklärte der Dichter und nahm einige Bücher zur Hand. »Hier steht das Einmaleins der alchimistischen Weltliteratur. Roger Bacon, Arnald von Villanova, Raimundus Lullius, Giovanni Pico von Mirandola, Trithemus, kurz – wen Sie wollen.«
    Tobias hörte nur mit halben Ohr zu. Er stand bereits im Arbeitszimmer des Franzosen, dessen Einrichtung ihn eher an ein privates Observatorium als an eine gewöhnliche Gelehrtenstube erinnerte. Gleich neben der Tür befand sich ein großer Globus auf drei Rädern, unter dem Fenster zum Innenhof war ein schlankes Teleskop aufgebaut, und die Wände wurden von Heliometern, Sextanten und Sternenkarten gesäumt.
    Tobias fasste den im Raum stehenden Sekretär ins Auge. Rücksichtslos setzte er das Brecheisen an und brach die Klappe auf. In der obersten Schublade stieß er auf ein ledergebundenes dickes Notizbuch. Es war auf deutsch geschrieben, und die Seiten waren mit astrologischen und alchimistischen Symbolen bedeckt. Er wurde stutzig, als er im Einband die Signatur des Verfassers der Schrift fand: Karl von Ecker und Eckhofen.
    War das nicht der Gründer der Loge ›Zum Flammenden Stern‹?
    Tobias setzte sich in de Lagardes Lehnstuhl und studierte aufmerksam einige Seiten.
    Von Eckhofen bezog sich in seiner Niederschrift auf die Lehren seines Mentors Cagliostro, der aus den Werken von Männern wie Paracelsus, Agrippa von Nettesheim, Tycho Brahe, Descartes und Newton ein Weltmodell postuliert hatte, das die Geschichte der Menschheit angeblich revolutionieren würde. Der Logengründer äußerte in dem Buch die Überzeugung, das Universum bilde eine dynamische Einheit. Seine verschiedenen Stufen würden durch aktive Kräfte und Affinitäten – Magnetismus und Gravitation – zusammengehalten, die als Medium den geheimnisvollen Äther benutzten: eine äußerst feine Materie, die den Kosmos zur Gänze durchdringt. Gelänge es, diesen Äther mittels magnetischer Kräfte zu manipulieren, so war von Ecker und Eckhofen überzeugt, könne man zu jedem beliebigen Punkt in Raum und Zeit vorstoßen. Der Logengründer schloss mit der Überzeugung, dass der nötige Katalysator dazu bereits vor langer Zeit gefunden worden sei: die ultima

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