Der Funke des Chronos
Tobias.
»Nein«, erklärte Heine und fasste nach seinem verletzten Arm. »Mein Onkel hat im Augenblick sicherlich alle Hände voll zu tun. Ich habe den kleinen Umweg gewählt, weil wir das Haus von diesem Justus Lewald und Ihrer Bekannten bei den derzeitigen Zuständen der Straßen am besten über den Gänsemarkt erreichen. Kommen Sie.«
Tobias lief weiter hinter Heine her. Sie erreichten einen lang gezogenen Platz, der unter anderem von einem vornehmen Comödienhaus, einem Reitstall und einem Gebäude mit parkähnlichem Garten gesäumt wurde. Mitten auf dem lehmgestampften Areal erhob sich ein schmuckes Brunnenhaus, das eher einem griechischen Tempel als einer praktischen Einrichtung ähnelte. Es war von einem Dutzend Wittkittel in Beschlag genommen worden, die unter den Augen zahlreicher Schaulustiger große Wasserwagen auffüllten.
Tobias und sein Begleiter bogen sogleich ab und erreichten die ABC-Straße mit ihren vornehmen Wohnhäusern. Zu seinem Entsetzen erkannte er die schwarze Droschke de Lagardes, die soeben am entgegengesetzten Ende der Straße in eine Nachbargasse abbog.
»Verdammt, das da hinten war der Franzose!« rief Tobias und rannte die Straße hinunter zum Haus der Lewalds. Der Eingang stand offen. Ein leises Schluchzen drang von drinnen auf die Straße. Tobias stürmte in die Diele und entdeckte Hannchen und Jakob, Carolines kleinen Bruder. Jakob lag weinend und mit einer blutigen Wunde am Kopf am Boden und wurde von Hannchen getröstet, die verzweifelt aufschaute, als Tobias eintrat.
»Was ist hier passiert?« wollte er sofort wissen.
»Doktor de Lagarde …«, stammelte die Haushälterin und vermochte ihre Tränen nun selbst nicht mehr zurückzuhalten. »Er … er und ein anderer Mann sind hier mit Waffengewalt eingedrungen.«
Hannchen schluchzte. Endlich kam auch Heine ins Haus gestolpert. Tobias beugte sich zu Jakob hinunter und untersuchte die Platzwunde auf der Stirn. Die Verletzung musste unbedingt genäht werden.
»Beruhigen Sie sich«, wandte er sich wieder an die Haushälterin. »Erklären Sie uns genau, was vorgefallen ist.«
»Der Doktor hat Herrn Lewald mit einer Waffe bedroht«, stammelte die Frau. »Es ging um irgendeinen Smaragd. Ich weiß aber nicht genau, wovon dann noch die Rede war.«
»Weiter«, forderte Heine sie auf.
»Herr Lewald hat sich geweigert. Trotz der Waffe. Der Doktor und sein Untergebener haben dann Caroline aus dem Zimmer geholt und ihr die Waffe an den Kopf gesetzt. Herr Lewald meinte darauf, dass sich dieser Edelstein nicht im Hause befinde. Er sagte etwas von einem alten Versteck.«
»De Lagarde hat Caroline in seiner Gewalt?« Tobias schreckte aufgebracht hoch.
»Ja.« Die Haushälterin schluchzte. »Der Doktor meinte, Carolines Leben sei keinen Schilling mehr wert, wenn ihn Herr Lewald nicht zu dem Versteck führe.«
Heine ballte wütend die Fäuste. »Mir scheint, dass der Franzose die Nerven verloren hat. Der will die Zeitmaschine für sich allein. Dass wir jetzt wissen, wer den Stein der Weisen die ganze Zeit über besaß, hilft uns aber auch nicht weiter.«
Tobias tupfte das Blut aus Jakobs Gesicht. »Inzwischen bin ich davon überzeugt«, murmelte er, »dass der Franzose Lewald und Lindley einige wichtige Details seiner Übersetzung verschwiegen hat. Etwa, aus welchen Komponenten dieses Serum besteht und was man tun muss, um es zu gewinnen. Aber das alles interessiert mich jetzt nicht mehr. Wir müssen Caroline …«
»Gar nichts müssen Sie, meine Herren!« ertönte hinter ihnen eine befehlsgewohnte Stimme. »Sie beide sind verhaftet. Hände hoch!«
Tobias und Heine fuhren herum und entdeckten am Eingang Polizeiaktuar Kettenburg. Er hielt eine Pistole in der Hand und befand sich in Begleitung eines dicken Konstablers, der eine Aktentasche unter den Arm geklemmt hielt und sie grimmig anstarrte.
»Los, an die Wand!« herrschte sie der Beamte an. Widerwillig kamen Heine und Tobias seiner Aufforderung nach. Tobias bemerkte aus den Augenwinkeln, dass der Polizist mit schmerzerfülltem Gesicht gerade seinen Knöchel betastete. Offenbar hatte er sich verletzt.
»Borchert, durchsuch die beiden!«
Ohne den Blick von ihnen zu wenden, sprach der Polizeiaktuar Hannchen an. »So, und jetzt noch einmal. Und ohne dieses ganze wirre Zeug um Zeitmaschinen, Stein der Weisen und was es da sonst noch gibt.«
»Was wollen Sie denn hören?« fuhr Tobias den Polizisten an. Offenbar hatte dieser schon eine Weile im Hauseingang gestanden und
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