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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Rechtsanwalt Merck nebst Gattin, Vizekonsul Schiller, Justizrat Rode und seine Familie, Professor Lehmann, Doktor de Lagarde, Ingenieur Lindley und noch einige andere mehr eingetroffen. Herr Groth führt die Einladungsliste«, ergänzte Henriette entschuldigend.
    »Wundervoll. Gebt mir Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht. Ich vermute, mein Vater ist im Garten.«
    Das Dienstmädchen nickte. Caroline und Tobias durchschritten ein mit Eichenpaneelen ausgekleidetes Zimmer, in dem ein großer Kristalllüster von der Decke hing, und betraten über eine Gartentür eine prachtvolle Grünanlage, wo schon Klaviermusik und vielstimmiges Lachen zu hören waren.
    Staunend schirmte Tobias seinen Blick gegen die blendende Sonne ab. Das weitläufige Gelände hinter der Villa erinnerte ihn eher an einen Park als an einen Garten. Es wurde an zwei Seiten von tiefen Schluchten begrenzt und fiel zur Elbe hin in einem breiten, wild mit Bäumen und Gesträuch bewachsenen Abhang steil ab. Sein Blick schweifte über Linden und Kastanien, bunte Blumenbeete, sorgsam beschnittene Büsche sowie einen kleinen Teich mit Seerosen, in dessen Mitte Wasser aus dem Füllhorn einer Meernixe plätscherte. Von hier aus hatte man einen herrlichen Ausblick auf die Elbe, auf der soeben ein stolzer Englandfahrer die Mündung hinauffuhr. Überrascht nahm er zur Kenntnis, dass sich am Elbufer, unterhalb des Grundstücks, ein privater Anleger befand, an dem ein Flußdampfer festgemacht hatte. Bärtige Männer turnten auf Deck herum und reinigten die Planken.
    Im Garten flanierten unterdessen vornehm gekleidete Gäste, die gut gelaunt miteinander parlierten. Die Männer hielten Champagnerkelche in den Händen, die Frauen trugen leichte Sonnenschirme. Auf dem Rasen hatte Lewald ein Lustzelt aufbauen lassen, in dessen Schatten zahlreiche Leckereien bereitstanden. Nicht weit davon entfernt führten acht Kinder in Sonntagsgewändern unter Anleitung Hannchens einen lustigen Reigentanz auf. Unter ihnen war auch der kleine Jakob, der beim Anblick Carolines sofort aus der Reihe der Kinder ausbrach und zu seiner Schwester stürzte. Lachend nahm sie ihn in Empfang und strich ihm über das blonde Haar.
    »Schau mal! Das hat Vater mir geschenkt.« Der Kleine warf Tobias einen verstohlenen Blick zu und kramte dann einen Bernstein hervor, in dem sich eine eingeschlossene Fliege befand.
    »Oh, das ist aber ein wertvolles Geschenk. Darauf musst du gut Acht geben«, ermahnte ihn Caroline.
    »Das ist jetzt mein Piratenschatz.«
    Sie gab ihm einen Klaps, und zufrieden stürmte der Junge zurück zu den anderen Kindern. Tobias schmunzelte und suchte den Garten nach der Quelle des meisterlichen Klavierspiels ab. Am jenseitigen Ende der Terrasse entdeckte er einen großen Konzertflügel mit Partitur, vor dem ein etwa zehnjähriger Junge in feinem Aufzug saß, der dem Instrument eine heitere Fantasie entlockte. Er wurde von zahlreichen Erwachsenen umringt, die begeistert klatschten, als er sein Spiel beendet hatte.
    Höflich verneigte er sich nach links und rechts.
    »Donnerwetter«, murmelte Tobias, »man merkt dem Jungen nicht an, wie alt er ist.«
    Caroline trat an seine Seite und lächelte. »Sie meinen den kleinen Johannes? Ja, das dachte ich mir auch, als ich ihn das erste Mal spielen hörte. Beinahe ein zweiter Mozart, wenn Sie mich fragen. Sicher haben wir noch Großes von ihm zu erwarten. Johannes’ Vater ist selbst Berufsmusiker.«
    Sie deutete auf ein stolzes Pärchen, das einen erheblichen Altersunterschied aufwies. Die Frau war sicher fünfzehn Jahre älter als ihr Gatte. »Hoffentlich wird dem Jungen die rechte Förderung zuteil. Die Familie Brahms lebt in sehr bescheidenen Verhältnissen.«
    »Wie bitte …?« platzte es aus Tobias heraus, bevor er sich wieder im Griff hatte. Das kleine Wunderkind da vorn war Johannes Brahms?
    Verwundert musterte ihn Caroline. »Was meinen Sie?«
    »Ah, wie bitte komme ich an etwas zu trinken?« versuchte Tobias seine Überraschung zu überspielen. »Die Herfahrt hat mich doch etwas durstig gemacht.«
    »Kommen Sie.« Sie führte ihn an den spielenden Kindern vorbei zu dem Lustzelt mit den Köstlichkeiten und bot ihm ein Glas Sekt an. Trotz der Leckerbissen, die sich ihm hier darboten, konnte Tobias seinen Blick nicht von dem schmächtigen Jungen abwenden, der neben Richard Wagner einmal als größter deutscher Komponist seiner Zeit gefeiert werden würde.
    »Ah, da bist du ja, Caroline.« Justus Lewald winkte seiner Tochter erfreut zu und

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