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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Jahren. Wenn bei uns die Zeiten unruhiger werden, kann man sich des erworbenen Besitzes hier um so ungestörter erfreuen. Außerdem wohnen hier mitnichten nur Hamburger. Die Familien kommen von überall her. Sogar aus Frankreich und England. Vielleicht schaffen wir es noch, den schönen Park der Jenischs zu besuchen. Die stammen ursprünglich aus Augsburg. Sehen Sie das vornehme Haus dort hinten?«
    Tobias erblickte einen prachtvollen Garten, in dem zum Elbufer hin ein weißer Säulenbau stand.
    »Das ist Rainvilles Garten. Benannt nach dem Adjutanten des französischen Generals Dumouriez, der das Grundstück um die Jahrhundertwende erworben hat. Und der Turm da hinten« – sie deutete begeistert auf eine königlich anmutende Schloßanlage, an der sie nun vorbeifuhren -»gehört zum Anwesen eines der reichsten Männer Altonas: Conrad Donner. Wissen Sie, womit seine Familie zu Wohlstand gelangt ist?«
    Tobias schüttelte den Kopf.
    »Schnupftabak.«
    Caroline schien in ihrem Element. Sie kamen an weiteren Luxusbauten vorbei, und zu jedem der Bewohner wusste sie eine Anekdote zu erzählen. Es fielen Namen wie Lawaetz, Woermann, Struve und Thornton. Unmöglich konnte Tobias alle im Gedächtnis behalten. Gerresheimer, sein Fechtlehrer, hätte seine helle Freude an diesem Ausflug gehabt. Er selbst im übrigen auch, wenn ihn nicht hin und wieder die eigentümliche Vogelmaske im Korb Carolines daran erinnert hätte, unter welchen Umständen es ihn in diese Zeit verschlagen hatte.
    »So, da sind wir«, beendete Caroline ihre Ausführungen.
    Die Droschke bog auf einen weißen Kiesweg ab und fuhr an einer Reihe von Kastanien vorbei auf eine stattliche zweistöckige Villa in gelbem Ziegelbau zu, die sich aufgrund ihrer eher schlichten Eleganz wohltuend von den protzigen Prunkbauten abhob, die Tobias zuvor gesehen hatte.
    Vor einem abseits gelegenen Stall stand ein halbes Dutzend weiterer Droschken, in deren Nähe sich vornehm ausstaffierte Kutscher die Beine vertraten. Einige der Gäste waren offenbar bereits eingetroffen und hatten ihre eigene Equipage mitgebracht.
    »Nun, beeindruckt?«
    »O ja.«
    »Mein Vater hat das Grundstück auf dreißig Jahre gepachtet. Die Villa gehörte bis vor wenigen Jahren noch dem Konsul Venezuelas. Ich fürchte, wir kommen etwas zu spät.«
    Die Droschke hielt vor einer breiten Freitreppe, und sie stiegen aus. Kristian warf Tobias einen undurchdringlichen Blick zu und fuhr mit einem Schnalzen zu dem Stellplatz mit den anderen Kutschen weiter. Wenig später wurden sie von einem livrierten Mann mit dunklen Haaren und strengem Gesichtsausdruck in Empfang genommen.
    »Ah, Mamsell Lewald! Da sind Sie ja. Ihr Vater erwartet sie bereits.«
    »Darf ich vorstellen«, wandte sich Caroline an Tobias. »Das ist Herr Groth, unser Hausverwalter.«
    »Ihr Vater war so frei, mich bereits über den jungen Herrn zu unterrichten.« Der Livrierte musterte Tobias kühl und verneigte sich steif. »Ich werde Ihnen später Ihr Gästezimmer im Obergeschoß zeigen.«
    »Oh, wir werden hier übernachten?« erkundigte sich Tobias.
    »Natürlich«, erwiderte Caroline erstaunt. »Es ist völlig unnötig, sich nach Einbruch der Dunkelheit wieder auf den beschwerlichen Weg zurück nach Hamburg zu begeben. Außerdem sind die Stadttore dann schon geschlossen.«
    Kurz darauf durchmaßen sie eine große, weiträumige Empfangshalle, die über eine prachtvolle Treppe in die oberen Stockwerke verfügte. Die Wände waren mit Dutzenden von Ölbildern bedeckt, die Dampfschiffe auf hoher See zeigten.
    Nachdem Caroline bei Groth Schultertuch, Schirm und Korb abgegeben hatte, führte sie Tobias einen Gang entlang, von dem aus mehrere Salons sowie ein altertümlich anmutendes Kaminzimmer abzweigten. Letzteres verfügte über eine backsteinerne Feuerstelle, deren Rauchfang zwei gekreuzte Florette schmückten. Anschließend gelangten sie in einen Raum, in dem zwei Dienstmädchen Fischdelikatessen auf einer versilberten Platte drapierten. In den Raumecken standen griechische Marmorstatuen, die Wände zierten Kopien Raffaelscher Werke. Als die Hausmädchen Caroline erblickten, knicksten sie. Tobias’ Begleiterin begrüßte die ältere der beiden freundlich. »Moin, Henriette. Hier ist ja schon bannig was los. Unsere Gäste haben es offenbar nicht erwarten können, uns zu besuchen.«
    »In der Tat, Mamsell. Kommerzienrat Weber nebst Gemahlin ist bereits vor einer halben Stunde eingetroffen. Inzwischen sind auch Freiherr von Rückner,

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